Im Land der Feuerblume: Roman
Christl ein. »Du hast gar nichts zubereitet! Du bist nur danebengestanden und hast gewartet, bis du deinen Anteil kriegst. Wir hingegen – Magdalena und ich – hatten all die Arbeit.«
»Ihr habt mich nur nicht gelassen.«
»Aus gutem Grund!«
»Pah! Wenn ich wollte, könnte ich ihn genauso gut zubereiten wie ihr. Also: Man muss Mehl und Pflaumen mit Butter ankneten …«
»Unsinn!«, schaltete sich Christl wieder ein. »Die Pflaumen kommen erst später dazu; zuerst muss man die Butter weich rühren.«
»Ist doch gleich, in welcher Reihenfolge man alles zusammenmischt. Hauptsache, viele Pflaumen sind dabei! Und natürlich auch Rum. Der fertige Teig wird in einen Sack gegeben und dieser zugebunden. Wie eine riesengroße Wurst sieht das aus. Und wenn diese Wurst lange genug im siedenden Wasser gelegen ist, so wird sie aufgeschnitten, in Scheiben geschnitten und der Pudding mit Sirup übergossen. Eine ganze Flasche von diesem Sirup haben wir bekommen!«
»Hast du nicht eben erzählt, dass euer Steward der geizigste sei und ihr von allem immer viel zu wenig kriegt?«, fragte Elisa zweifelnd.
Fritz verdrehte seine Augen und nickte, aber Poldi rief begeistert: »Köstlich schmeckt das!«
»Köstlich!«, rief das kleine Katherl dazwischen und lachte.
Poldi indes wechselte erneut das Thema.
»Stell dir vor, Elisa, die Kinder vom Mielhahn trauen sich nicht aufs Deck. Sie liegen den ganzen Tag in ihrer Koje und tun so, als würden sie schlafen.«
Elisa blickte sich um und sah tatsächlich weit und breit nichts von den blonden, schmalen Wesen, die sich am Hamburger Hafen ängstlich an ihre nicht minder ängstliche Mutter festgeklammert hatten.
»Viktor heißt der Knabe«, raunte Poldi ihr zu, ehe sie danach fragen konnte, »und Margareta das Mädchen, aber alle rufen sie Greta.« Er kicherte spöttisch. »Feiglinge! Alle beide!«, fügte er hinzu.
»Na, na«, schaltete sich Fritz abermals ein. »Du weißt nicht, ob sie sich nicht trauen oder einfach nicht dürfen, weil es ihnen Lambert Mielhahn verbietet.«
Poldi achtete nicht auf den Einspruch. »Aber am merkwürdigsten ist diese Frau Eiderstett. Sie liest den ganzen Tag in einem Buch und ist tatsächlich ohne Mann und ohne Kinder unterwegs!«
»Ohne Mann und ohne Kinder!«, äffte Katherl ihn nach und lachte, ohne den Sinn dieser Worte zu verstehen.
Christl zwickte sie in ihren nackten Fuß. »Nun sei doch still«, schimpfte sie, woraufhin die Kleine nicht länger lachte, sondern weinte und Fritz Christl rügte und diese schmollte.
Poldi achtete nicht darauf, erzählte vielmehr nun ausschweifend – ob Elisa es nun hören wollte oder nicht –, wie sich die seekranken Menschen im Zwischendeck erbrachen, einer von ihnen in seinen Nachttopf, und ebendieser Nachttopf sei heute Morgen zufällig vor Lambert Mielhahns Koje gerutscht und der hineingestiegen. Lambert Mielhahn hätte sich zunächst furchtbar geekelt und dann lauthals nach dem Schuldigen geschrien, doch natürlich hatte sich niemand gemeldet.
»Geschah ihm recht!«, schloss Poldi.
Katherl hatte zu weinen aufgehört und Christl zu schmollen, und beide schmückten diese Geschichte, die sie von allen am meisten zu faszinieren schien, lautstark aus.
So wild gingen ihre Worte durcheinander, dass Elisa kein einziges mehr davon verstehen konnte und lachen musste. Mit dieser lebhaften Schar an der Seite würde ihr auch auf einer so langen und eintönigen Reise, wie sie ihnen bevorstand, ganz gewiss nie langweilig werden.
Eines Morgens, kaum eine Woche war seit dem Aufbruch vergangen, klopfte es an der Tür. Es klang so leise, dass Elisa kurz glaubte, sie habe sich getäuscht. Sie richtete sich auf und warf einen Blick auf Richard und Annelie. Ihr Vater war nicht aufgewacht, sondern schlief tief und fest. Eine Falte hatte sich in seiner Stirn eingegraben. Seine Sorgen verfolgten ihn offenbar bis in den Traum. Annelie lag zusammengerollt wie eine Katze da. Hastig streifte Elisa ihre Nachthaube ab und zog sich einen Umhang über – wie alle anderen Passagiere schlief sie in ihrer Kleidung.
Wieder klopfte es, und diesmal raunte eine Stimme: »Elisa …«
Ihr Herz tat einen freudigen Satz, als sie sie erkannte.
Nachdem sie leise die Tür geöffnet hatte, war es tatsächlich Cornelius, der vor ihr stand. Seine Augen waren noch etwas verquollen vom Schlaf, sein Haar ungewohnt verstrubbelt, aber seine Stimme klang aufgeregt. »Komm … komm schnell, das musst du dir anschauen!«
Sie schloss die
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