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Im Land der Feuerblume: Roman

Im Land der Feuerblume: Roman

Titel: Im Land der Feuerblume: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carla Federico
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packen und riss ihn hoch.
    »Wie schön!«, höhnte Jule. »Wie schön, dass wir einen solch kundigen Arzt an Bord haben!«
    »Ich verstehe nicht, wie diese Seuche ausbrechen konnte«, jammerte der Arzt; seine Zunge stieß schwer gegen seine Zähne. »Es gab doch im Hamburger Hafen eine Gesundenuntersuchung.«
    »Pah!«, machte Jule. »Da wurde doch nur drauf geachtet, ob die Menschen an Favux oder Trachom leiden könnten.«
    »Vielleicht ist es das!«, rief er.
    »Pah!«, machte Jule wieder. »Was für ein Unsinn! Wenn Sie sind, was Sie zu sein vorgeben, dann sollten Sie wissen, dass ein Trachom die Entzündung des Auges ist und Favus der Erbgrind!«
    Der Schiffsarzt zuckte mit den Schultern.
    »Vielleicht ist es einfach nur eine Mischung zwischen Schwächung, Seekrankheit und der Reaktion auf das ungewohnte Klima«, schlug er vor. Dann beeilte er sich, das Deck zu verlassen. Vielleicht hatte er irgendwo doch noch einen geheimen Vorrat an Branntwein.
    Am Abend erkrankten weitere zwei Passagiere.

    »Wirklich, Onkel …« Cornelius’ Stimme wurde eindringlicher. »Du solltest jetzt für die Unglücklichen da sein. Sie brauchen dich!«
    Er versuchte nunmehr schon seit Stunden, zu Zacharias durchzudringen, auch als es längst Abend geworden war. Der Pastor hatte sich ein in Essigwasser getränktes Tuch aufs Gesicht gelegt, als wäre er selbst krank, doch als der Neffe nicht nachgab, zog er es schließlich fort und setzte sich auf.
    »Ich möchte nicht wissen, welche giftigen Miasmen …«, begann er nörgelnd.
    »Willst du die Kranken ohne Segen von dieser Welt scheiden lassen? Und wenn du dich schon nicht in ihre Nähe wagst, solltest du wenigstens für die Toten beten! Es ist doch abscheulich seelenlos, wenn sie frühmorgens nur im Beisein des Stewards und der Familie im Meer versenkt werden.«
    Pastor Zacharias schüttelte sich vor Grauen.
    »Wir kommen doch bald an«, seufzte er. »Das hat der Kapitän doch gestern Abend verkündet, nicht wahr?«
    In der Tat hatte der Kapitän nach weiteren Todesfällen beschlossen, dass sie nicht den eigentlichen Zielhafen – Corral – anlaufen würden, sondern den von Ancud, der etwas südlicher auf der Insel Chiloé lag, im Übrigen der erste Hafen, den man nach Umsegelung des Kaps Hoorn oder der Durchquerung der Magellanstraße erreichen konnte. Als Cornelius es Zacharias erzählt hatte, hatte dieser aufgejubelt. Nicht einmal Cornelius’ Einwurf, dass sie nicht wüssten, wer und was sie auf Chiloé erwartete, konnte die Freude, bald vom Schiff zu kommen, schmälern. Was Cornelius ihm sicherheitshalber verschwiegen hatte, war, dass Ancud inmitten schroffer Küsten und Klippen lag. Nicht wenige Schiffe, die den Hafen anlaufen wollten, gerieten in Seenot.
    »Onkel Zacharias!«, versuchte er es noch einmal. »Auch wenn wir Land betreten – denkst du, dass die Priester der Katholiken nur darauf warten, unsere Toten zu bestatten? Mitnichten! Du bist nach Chile geschickt worden, weil es kaum protestantische Pastoren gibt! Du bist für das Seelenheil der Menschen an Bord verantwortlich! Wenigstens eine zusätzliche Messe solltest du lesen, und …«
    Cornelius hielt inne. Wüstes Protestgeschrei hatte ihn unterbrochen – nicht aus dem Mund seines Onkels, wie es eigentlich zu erwarten stand, sondern von draußen. Zunächst hielt Cornelius es für das verzweifelte Geheul eines Angehörigen. Doch die Wortfetzen, die schließlich zu ihnen drangen, kündeten von einem wilden Streit.
    Pastor Zacharias starrte ihn an, ängstlich und zugleich erleichtert über die Ablenkung.
    »Bleib hier!«, befahl Cornelius knapp.
    »Ich rühre mich ganz gewiss nicht freiwillig von der Stelle!«
    Rasch legte sich er wieder auf die Koje und presste das Essigtuch auf sein Gesicht.
    Cornelius lugte nach draußen auf den Gang. Einer der Stewards und einer der Matrosen standen an dessen Ende – der eine fuchtelnd und mit hochrotem Gesicht, der andere mit geballten Fäusten.
    »Nur über meine Leiche!«, schrie der Steward. »Während meiner Wache wird das nicht gemacht!«
    »Aber der Kapitän wünscht es so!«, hielt der andere dagegen.
    »Dann soll er es mir selbst sagen!«
    Cornelius trat näher und bemerkte erst jetzt den großen Sack, den der Matrose in seinen klobigen Händen hielt.
    »Was geht hier vor?«
    Widerwillig fuhren die beiden zu ihm herum, augenblicklich geeint in der Überzeugung, dass es einen Passagier nichts anginge.
    Cornelius ließ sich davon jedoch nicht einschüchtern. Er

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