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Im Land der gefiederten Schlange

Im Land der gefiederten Schlange

Titel: Im Land der gefiederten Schlange Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: carmen lobato
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deine Familie, und sie wird es immer bleiben.«
    Katharina hatte keine Gelegenheit mehr, die Tante zu fragen, was sie damit meinte. Luise kam, um nachzusehen, wo die beiden blieben. Die albernen Bettbezug-Kleider wurden schließlich doch noch vermessen, und ehe sie aufbrachen, erhaschte Katharina einen Blick auf Onkel Fietes Zeitung. Sie stammte vom Mai 1844 , und der
Columbus,
der danebenlag, war noch zwei Jahre älter.
    Auf der Straße hängte Jo sich schüchtern an ihren Arm. »Du hast mich doch gefragt, ob ich zu dir komme«, setzte sie an, »aber ich muss ja nun zu Gerlinde, und deshalb …«
    »Und deshalb was?«
    »Kathi«, begann Jo noch einmal, »würde es dir etwas ausmachen, ein paar Schritte mit mir zu gehen? Nur bis zum Marigoldstrauch, ich würde so gern mit dir reden …«
    Sie war Jo etwas schuldig, schließlich hatte Jo, nicht sie, sich schützend vor Benitos Volk gestellt. Außerdem wollte sie selbst gern reden, und nach Hause würde sie ohnehin nicht gehen. »Ich komme mit dir«, sagte sie zu Jo. »Musst du eigentlich deinen Eltern nicht Bescheid geben, wenn du jetzt nicht heimkommst?«
    Jo schüttelte den Kopf. »Sie wissen ja, dass ich zum Bibelkreis gehe.«
    »Du Glückliche!« Katharina stöhnte. »Meine Eltern würden mich nie im Leben allein in den Straßen herumlaufen lassen, ob ich zum Bibelkreis ginge, zur Englischstunde oder zu Georgia Temperley.«
    Trotz ihres Kummers musste Jo lachen. »Das mag daran liegen, dass ich wirklich zum Bibelkreis gehe. Du dagegen gehst nicht zur Englischstunde und erst recht nicht zu Georgia Temperley.«
    Verlegen biss sich Katharina auf die Lippe, doch Jo drückte schnell ihren Arm. »Geht es euch gut, Kathi? Natürlich nicht so wie Luise und ihrem Sigmund, aber doch …«
    »Was meinst du damit?«, fuhr Katharina ihr ins Wort. »Dass es mir mit einem stinkenden Affenmenschen gar nicht gutgehen kann?« Sie war so ungerecht wie Onkel Fiete, aber irgendwo musste sie hin mit ihrem Zorn.
    »Nein, das habe ich nicht gemeint. Ich habe dir schon einmal gesagt, ich mochte deinen Ben sehr gern. Ich fand ihn freundlich und klug, ich fand seine Hände schön und seine Augen. Außerdem ist es schrecklich für mich, wenn jemand über ein Geschöpf, das Gott geschaffen hat, so spricht wie Onkel Fiete. Aber Onkel Fiete ist eben immer noch traurig wegen Jette, und dann ist da der Krieg, da kann niemand mehr klar denken.«
    So viele Worte hintereinander sprach Jo sonst nur, wenn es um Gerlinde ging, und natürlich kam sie auch sogleich auf diese. »Gerlinde redet auch so«, sagte sie mit ihrer winzigen Stimme. »Das ist so schlimm für mich.«
    »Wie redet Gerlinde?«
    »Wie Onkel Fiete. Über blutrünstige Affenmenschen, die ihren Götzen Kinder opfern und zu abgestumpft zur Bekehrung sind.«
    Über Jos Wangen rannen Tränen. »Gerlinde sagt, wir dürfen nicht mehr für alle Männer, die im Krieg kämpfen, beten, sondern nur noch für die Protestanten aus Nordamerika. Sie sagt, die Nordamerikaner müssen den Krieg gewinnen, und danach sollen wir alle nach Kalifornien gehen und dort ein christliches Leben führen. Aber ich kann das nicht, Kathi! Ich kann das nicht!« Laut begann sie zu schluchzen wie Katharina vor Tagen in Benitos Armen. »Ich will für alle Menschen beten! Und ich will hierbleiben, ich will von meiner Familie nicht fort.«
    Als sie sich beruhigt hatte, nahm Katharina sie bei den knochigen Schultern und hielt sie von sich weg. »Du gehst da nicht mehr hin, hörst du?«, sagte sie. »Deine Gerlinde ist im Kopf nicht richtig, der gehört das Handwerk gelegt.«
    »Aber ich habe doch Gott durch Gerlinde erst gefunden!«, rief Jo. »Und ich habe niemanden als sie.«
    »So ein Unsinn, den hat sie dir eingeredet. Du hast uns.«
    »Ja, schon«, erwiderte Jo, wischte sich das Gesicht ab und lächelte. »Aber ihr habt eben jeder einen, der euch wichtiger ist. Meine Brüder haben einander, mein Vater hat deine Mutter, und meine Mutter hat meinen Vater, auch wenn sie ihn nicht hat. Und du scharrst wie euer Pony mit den Hufen, weil du nicht länger mit mir herumstehen, sondern endlich zu deinem Ben laufen willst.«
    Fieberhaft suchte Katharina nach einem Wort zum Widerspruch. »Du wirst jemanden finden«, sagte sie lahm.
    Jo lachte. »Mach dir um mich keine Sorgen. Danke, dass du mir zugehört hast. Mir geht es schon besser.«
    »Bist du sicher, Jo? Und könntest du …«
    »Ja, natürlich, ich könnte deiner Mutter sagen, dass du mit mir beim Bibelkreis warst.«

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