Im Land der gefiederten Schlange
sein.« Und dann mit dir in dein Zimmer gehen und dich mir nehmen, so, wie es verboten ist, damit du mir nie mehr verlorengehst.
Auf einen Schlag war die Leichtigkeit verflogen. »Nein«, sagte er, »ich kann dir keinen Pulque kaufen. Ich kann dir nicht einmal einen Trog Waschwasser kaufen, denn ich habe kein Geld, und bevor du fragst, ich werde in absehbarer Zeit auch keines haben.«
Katharina erschrak. Kam es ihr nur so vor, oder sah er abgezehrt aus, die Augen hungrig und die Wangen eingefallen? »Du bist ein Dummkopf, oder zumindest dein Stolz ist einer. Weshalb hast du mir nicht gesagt, dass du kein Geld hast?«
»Und weshalb hätte ich das tun sollen? Willst du mir vielleicht welches geben?«
Wie von selbst langte sie in ihre Rocktasche, förderte eine von Tante Dörtes Stecknadeln zutage und senkte verlegen den Kopf.
»Wir sind ein prächtiges Gespann, was? Du hast nichts, und ich habe weniger als nichts – ich schlage vor, wir werfen beides zusammen, durchbrechen die Blockade und hauen unser Vermögen in Havanna auf den Kopf.«
Sie mochte den bösen Spott in seiner Stimme nicht. Sie packte ihn, damit er sich nicht von ihr entfernte. »Benito – warum hast du kein Geld mehr? Hat diese Helen dich hinausgeworfen?«
»Nein«, erwiderte er kalt, »ich habe sie hinausgeworfen, und jetzt bist du bitte so freundlich und hörst auf, mir Fragen zu stellen.«
Sie war sich nicht sicher, ob sie im Einzelnen begriff, was er gesagt hatte, aber was sie erfasste, war tausendmal genug. Er ging nicht mehr zu Helen. Um ihretwillen. Sie schloss die Arme um ihn und hielt ihn so fest, wie sie ihn liebhatte, küsste seinen Hals und schob mit den Lippen sein Hemd zurück, wollte mit ihm allein sein, hinter verschlossenen Türen. »Ich rede mit Stefan«, sagte sie. »Er hat erzählt, bei Georgia im Haus können sie jemanden brauchen, und er würde sich für dich einsetzen. Nein, sag nichts, dein blöder Stolz soll gefälligst den Mund halten. Ich tue es ja nicht für dich, sondern nur, weil ich mit dir Geld auf den Kopf hauen will, in Havanna oder wo auch immer. Und jetzt nimm mich mit in dein Zimmer. Dazu brauchst du kein Geld.«
»Nein«, sagte er zärtlich, »das werde ich nicht tun. Nicht jetzt und nicht morgen, nicht mit Geld und nicht ohne.«
»Warum nicht? Weil du mich nicht willst? Bin ich dir nicht hübsch genug, weil ich keine Frau von Welt wie Helen bin?«
Brüsk befreite er sich aus ihrer Umarmung. »Wenn du solche Fragen stellst, bist du mindestens so dumm wie mein Stolz«, sagte er. »Von mir bekommst du keine Antwort darauf, und außerdem ist für solche Kinderei die falsche Zeit. Ich bringe dich jetzt nach Hause. Und in den nächsten Tagen bin ich nicht in der Stadt.«
»Aber du warst doch …«
»Keine Widerrede!« Er nahm sie am Arm und ging mit ihr los.
Dabei hatte sie ihm gar nicht widersprechen, sondern ihn nur fragen wollen, warum er schon wieder fortmusste, war er doch gerade erst mit dem Maultier zurückgekommen. Und dann fiel ihr ein, wie bedrückt er vorhin ausgesehen hatte. Sie hätte ihn fragen müssen, was ihn quälte. Sie hatte ihn alleingelassen und eine kostbare Chance vertan. Als sie ihn vor dem Strauch mit den feuerfarbenen Blüten küssen wollte, drehte er das Gesicht weg. »Nicht hier. Wir sind längst zu nah.«
»Sei nicht albern. Ich habe dich hier schon hundertmal geküsst.«
»Dann wird es Zeit, dass du bescheidener wirst«, erwiderte er, verbiss sich aber ein Schmunzeln.
»Du bist ein böser Starrkopf. Deinen blöden Stolz und deinen Starrsinn habe ich überhaupt nicht lieb. Wann sehe ich dich wieder?«
»Jetzt lange nicht. Ich habe dir gesagt, ich muss morgen noch einmal in die Berge, und wann ich wiederkomme, weiß ich nicht. So lange will ich, dass du mir etwas versprichst, Ichtaca. Ich will, dass du so tust, als wärst du ein braves Mädchen, das vernünftig im Haus seiner Familie bleibt und nicht in einem Hexenkessel von Hafenstadt herumläuft. Kannst du das für mich tun? Und kannst du deine Base, die zu dieser Bibelstunde läuft, und dein übriges verrücktes Volk bewegen, es dir nachzumachen?«
Katharinas Herz begann zu jagen. Es war, als hätte ein Schrecken, der sie den ganzen Tag verfolgt hatte, sie jetzt erreicht und gepackt. »Aber warum denn?«, begehrte sie auf. »Und wie soll ich dich dann das nächste Mal treffen?«
»Ich sende dir eine Nachricht«, sagte er. »Über deinen Vetter. Wenn nichts dazwischenkommt, werde ich nämlich meinem blöden Stolz den
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