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Im Land der gefiederten Schlange

Im Land der gefiederten Schlange

Titel: Im Land der gefiederten Schlange Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: carmen lobato
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drehte er sich noch einmal um. »Wir sind alle etwas angespannt mit den Soldaten so nah bei der Stadt, aber dieser Tage müssen sie ja abziehen. Bevor sie uns aushungern, geht ihnen selbst der Proviant aus. Sag, wollen wir, wenn sie weg sind, zusammen einen Ausflug machen? Irgendwohin ins Grüne. Ich weiß, wir haben das nie gemacht, aber …«
    »Wir machen es«, versprach sie ihm.
    Er langte nach dem Türgriff. »Es ist dein Herz, das krank ist, nicht wahr?«
    Katharina ballte unter der Decke die Fäuste.
    »Du kannst dir sicher nicht vorstellen, dass ein stoffeliger Klotz wie ich davon etwas weiß«, sagte ihr Vater. »Aber ich weiß es, Palomita. Verrückt, dass man als Vater denkt: Wenn ein junger Spund meinem Mädchen weh tut, schlage ich ihn tot. Dabei kann man nichts Falscheres tun, denn wer, der einen Menschen liebhat, will, dass ihm ein Haar gekrümmt wird?«
    Ich, dachte Katharina trotzig, lachte ihrem Vater zu und blies die Kerze aus. Zum ersten Mal wünschte sie, sie hätte Benito nie gekannt, ihr Vater und sie wären immer ein Herz und eine Seele gewesen und sie könnte sich auf den Ausflug ins Grüne freuen. In dieser Nacht hörte sie in der Ferne Geschützfeuer oder Gewitterdonner. Am Morgen war der Sturm in ihr zum Orkan geworden, und sie hielt es im Haus nicht mehr aus.
    Sie würde zu den Temperleys gehen. Nicht, um Benito zu sprechen, sondern um mit eigenen Augen zu sehen, dass er ein schönes Mädchen namens Inez liebte, kein wütendes Mädchen namens Kathi Lutenburg. Im Haus war niemand als die Sanne, sie konnte gehen, wie es ihr beliebte. Sie hatte kaum den Strauch, an dem die Blüten welkten, erreicht, als sie den Reiter entdeckte, der im Galopp auf sie zusprengte. Dies war ein friedvolles Viertel, in diesen Straßen ritt niemand im Galopp. Der Reiter zügelte das Pferd, einen zierlichen Schimmel, und sprang, ehe es stillstand, ab. »Ichtaca«, rief er leise und atemlos.
    Das verdammte Wort, das vermutlich auch aus deiner und Inez’ Sprache stammt, will ich nie mehr hören.
    Sie blieb stehen.
    Benito band das Pferd an einen Pfahl und machte zwei Schritte auf sie zu. »Ich habe so oft versucht dich zu sprechen«, sagte er.
    »Und warum?«
    Ein Anflug von Verwunderung huschte über sein Gesicht. »Ich muss sichergehen, dass ihr Bescheid wisst und euch schützt.«
    »Schützt wovor?«
    »Katharina!«, rief er, als müsste er sie aus dem Schlaf reißen, »diese Stadt wird belagert, ist dir das nicht klar? Die Amerikaner haben bedingungslose Kapitulation gefordert, die General Morales ihnen nicht gewähren wird. Noch haben sie keine Artillerie aufgefahren, aber nicht mehr lange, und sie werden es tun.«
    Katharina verstand nichts vom Krieg. Schwere Kanonen würde aber doch niemand in großer Zahl übers Meer schaffen. Er tat sich nur wichtig. Er wollte sie einschüchtern, sie wieder kirre machen. »Das ist Unsinn, was du redest. Das können sie nicht.«
    »Es hat auch niemand geglaubt, dass sie zehntausend Mann unbehelligt anlanden können, doch genau das haben sie getan. Ich bitte dich, sag deinen Leuten, sie sollen Lebensmittel horten, alles, was sie bekommen können, und ihre Häuser nicht mehr verlassen. In ihrer Nische ist eure Siedlung halbwegs geschützt, aber nur ein Stück weiter, bei deines Vaters Brauerei, käme er unter Beschuss. Sag ihm, er soll zu Hause bleiben, verrammelt eure Türen, und vor allem lasst kein Mädchen durch die Stadt streunen. Vertrau mir, Ichtaca. Wo Soldaten herumlaufen, die seit Monaten keine Frau hatten, ist das der pure Wahn.«
    Vertrau mir, Ichtaca. Das hatte er schon einmal gesagt, und was hatte es ihr eingebracht? Schmerz und Zorn tobten gegen ihre Brust. »Du machst mir nicht noch einmal Angst!«, schrie sie. »Du treibst mich nicht noch einmal hinter Mauern, während du mit deinem Liebchen den Frühling genießt!« Nur jetzt nicht weinen. Ihm den Triumph nicht gönnen. »Dir vertrauen soll ich? Das habe ich einmal getan, drei Wochen lang, in denen ich auf dich gewartet habe, aber ich bin nicht so dumm und tue es ein zweites Mal!«
    »Zum Teufel!«, rief er und sprang den letzten Schritt auf sie zu. »Hierbei geht es nicht um dich und mich, begreif das doch. Darüber sprechen wir später, wenn alles …«
    »Ach, wenn alles vorüber ist und du mir eine Nachricht sendest, ja?« Vor ihren Augen tanzten Schleier. »Hier geht es sehr wohl um dich und mich, und alles andere kannst du dir schenken!« Ihre Stimme brach. Hinter den Schleiern stand sein regloses

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