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Im Land der gefiederten Schlange

Im Land der gefiederten Schlange

Titel: Im Land der gefiederten Schlange Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: carmen lobato
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durchnässt, und die Nacht war kalt. Dennoch schlief Miguel ein. Er ermüdete schnell. Im Grunde war er zu schwach und vor allem zu langsam, um zu kämpfen, doch welche Wahl blieb ihm? Vielleicht wütet der Sturm noch für Tage, bis den Belagerern der Proviant ausgeht, hoffte Carlos. Wenn sie abgezogen sind, vielleicht versetzt man uns auf eins der Forts, wo es trocken ist.
    Die Stadt so nahe zu wissen, steigerte die Sehnsucht. Die Männer hatten erwartet, höher hinauf, an eine Straße in die Hauptstadt, geschickt zu werden, doch stattdessen hatten sie in den Waldungen vor Veracruz Deckung gesucht. »Wir fallen den Gringos in den Rücken«, hatte Capitán Ruiz getönt. Er war ein Prahlhans, der vom Krieg nicht mehr als seine Männer verstand, aber kein Kerl ohne Herz. Carlos hätte ihn um Ölzeug für Miguel gebeten, hätte er nicht gewusst, dass der Capitán selbst nichts besaß. Er legte dem Freund die Hand auf die Stirn. Trotz der Kälte glühte die Haut. Wie lange war Miguel schon krank?
    Ihr Versteck lag hinter dem Waldsaum. Wäre der Regen nicht so dicht gewesen und hätte er sich ein Stück weit hinauswagen dürfen, hätte er Dächer und Türme von Veracruz sehen können. Ein Stück Befestigungsmauer vom nördlichen Fort Concepcion. Und davor die Zelte der Gringos, denen es unter Generalmajor Scott gelungen war, eine Belagerungslinie von sieben Meilen um die Stadt zu ziehen. Fünfzehntausend Menschen lebten hinter der Linie. Wie erging es ihnen in dieser Nacht? Rückten sie in ihren Häusern zusammen, hielten sie einander fest, machten sie Liebe aus Angst vor dem Tod? Wir sind hier, um die Menschen in der Stadt zu schützen, versuchte Carlos sich Mut zuzusprechen, aber in der schlammigen Grube, neben einem Mann, der im Fieber lallte, kam ihm diese Vorstellung ebenso lachhaft wie traurig vor.
    Vor dem Morgengrauen verebbte der Sturm. Es nieselte nur noch, und damit erfolgte der Befehl zum Ausrücken. In Paaren sollten sie sich halten und mit ihren ungenauen Waffen so schnell und so oft sie konnten auf die Wachposten feuern. Plänkeln wurde diese Taktik genannt. Sie sollte den Gegner aufstören und seine Ordnung brechen, damit die Kompanien aus den Forts leichtes Spiel hatten. Falls Kompanien aus den Forts überhaupt zur Verstärkung einrücken würden. Verständigung, so schien es Carlos, hätte das Blatt dieses Kriegs wenden können, aber wer war er, um das zu beurteilen? Er musste Miguel wach rütteln, ihm Regenwasser ins Gesicht spritzen, damit er zu sich kam. »Ich glaub, mein Carlos, das Teufelszeug gestern war zu viel für mich«, flüsterte er und rieb sich die glühenden Wangen. Sie folgten dem ersten Paar in fünf Schritten Abstand. Durch das Dickicht liefen sie geduckt, die nassen Kleider hingen klamm um die Glieder, und in die Sandalen, die sie trugen, seit ihnen die Stiefel von den Füßen gefallen waren, drang Schlamm. Einen Herzschlag lang verhielten sie, ehe sie aus der Deckung ins Freie tauchten.
    Aus den Morgennebeln schälten sich die Zelte der Gringos, ihre Feuer und Pferde heraus. Dann die Umrisse der Wachposten. Vielleicht wurde den Männern erst jetzt klar, dass es diesmal um keine Übung ging, bei der ein paar Kameraden sich Mützen mit dem Sternenbanner aufsetzten und am Ende alle miteinander Maisgrütze aßen. Diesmal war es ernst. Mancher von denen, die über die dünne Grütze geschimpft hatten, würden keine mehr essen. An seiner Seite zitterte Miguel. »Jetzt raus«, flüsterte Carlos, ehe das Begreifen und die Angst überhandnahmen.
    Vor dem Angriff mussten sie die Musketen einmal leer abfeuern, um die Zündpfannen vom feuchten Pulver zu befreien. Das war der gefährlichste Augenblick. Der Lärm würde den Gegner auf sie aufmerksam machen, und alles hing davon ab, wie schnell jeder Einzelne den Ladestock aus der Halterung löste, Projektil und trockenes Zündkraut nachstopfte und erneut bereit war zu feuern. All dies musste im Laufschritt geschehen, immer fünf Schritte hinter dem ersten Paar her und um drei Schritte seitlich versetzt.
    Carlos hatte sich im Training nicht übel angestellt. Vielleicht wäre es ihm gelungen, hätte er weder auf den schwankenden Miguel geachtet noch auf das, was sich vor seinen Augen aus den Nebeln schälte. Der Schrecken, an den sie nicht hatten glauben wollen wie Kinder, die beharren, es gebe keine Dämonen, keine Tzitzimime, bis sie das erste Mal von ihnen träumen. Hinter der südlichen Stadtgrenze sah er die Mastspitzen von Schiffen, die

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