Im Land der gefiederten Schlange
sagte er rauh an ihrem Ohr. »Willst du trinken? Mit dem Wasser müssen wir sparen, aber es gibt hier unten Wein.«
»Wo sind wir?« Wieder küsste sie seine Schulter. Sie war so froh, ihn bei sich zu haben, sie wollte ihn küssen ohne Ende.
»In einem Lagerkeller. Bei dem Haus der Leute, für die ich früher gearbeitet habe.«
»Helen?«
»Ich habe ihr den Schlüssel nie zurückgegeben. Unter der Erde sind wir sicherer als irgendwo sonst.«
»Hat sie dir erlaubt, herzukommen?«
»Sie ist nicht mehr hier«, erwiderte er. »Die Engländer waren klüger als wir, sie haben die Stadt verlassen, ehe Scotts Schiffe mit ihren verdammten Zweiunddreißigpfündern kamen. Vielleicht waren sie auch nicht klüger, sondern hatten einfach einen Ort, an den sie gehen konnten.« Er löste sich aus ihren Armen, tastete über eins der Regale und zündete einen Kerzenstumpen an. Im blassen Licht erfasste Katharina die Konturen des Raums, Regale, eine Kiste, zwei Fässer. Von einem Brett nahm Benito einen weiteren Stapel leerer Säcke, kam zurück und schlang sie in das harte Leinen. Es kratzte und wärmte. Sie wollte, dass er bei ihr blieb.
Er ging zu einem der Fässer, stach es an und füllte ein Tongefäß. Von oben hörte sie eine Detonation, dann aber hörte sie nur noch das Glucksen, mit dem der Wein in den Krug rann, und sah Benito, der vor dem Fass hockte, die Wirbel seines Rückens, die sich durch den Hemdstoff abzeichneten, seinen Nacken und sein Haar, das er kürzer als alle Männer seines Volkes trug. Über ihren Köpfen brannte ihre Stadt. Hier unten brannte der Wunsch zu leben, sich aneinanderzuklammern und den Schrecken auszulöschen. Sie rief sehr leise seinen Namen. Schweigend, den Wein in der Hand, kam er zu ihr zurück.
Der Krug war groß. Sie tranken aus der Tülle, abwechselnd und in gierigen Zügen. Zwischendurch gab sie Benito Küsse auf die Lippen und schmeckte noch mehr Wein. Nicht denken. Nur trinken. Nicht nach morgen fragen. Sie hatte mit ihm in sein Zimmer unterm Dach steigen und das Geheimnis erkunden wollen, dessen Namen niemand aussprach. Jetzt lag sie auf einem Bündel Säcke, unter einer Stadt, die sich in Todesschreien wand. Aber das änderte nichts. Sie zerrte ihm das Hemd von den Schultern, die gerade und fest waren, straffe Muskelstränge, bedeckt von schimmernder Haut. Als sie ihre Hüften an seine schmiegte, bohrte sich etwas Hartes in ihr Fleisch. Sie griff danach, zog es heraus und hielt eine silbrig glänzende Pistole in der Hand.
Er wollte etwas sagen, doch sie verschloss ihm den Mund und warf die Pistole zur Seite. Dunkel stöhnte er auf, ließ den leeren Krug in die Säcke fallen und schloss die Arme um sie.
Katharina hatte manches über die Liebe zwischen Mann und Frau gehört, von dem ihre Mutter glaubte, es werde ihr Gemüt verletzen, so wie vermutlich die Mutter vieles gehört hatte, von dem deren Mutter dasselbe geglaubt hatte. Sie hatte die verbotenen Worte gehört, die ihre Vettern, um zu prahlen, nachplapperten, sie wusste, dass Männer dafür Geld zahlten und Romanheldinnen sich ins Unglück stürzten, und zuletzt hatte sie Luise gehört, die sich vor der Hochzeitsnacht fürchtete, weil es Frauen unsäglich weh tun sollte.
Es hatte weh getan. Einen Herzschlag lang auf der Spitze, als sie kaum hörbar schrie und sich dabei wünschte, den Schmerz festzuhalten, um für immer zu wissen: Das bin ich. Ich habe so sehr geliebt und war so sehr am Leben. Ich hatte diesen herrlichen Mann in den Armen, Haut, Muskel, Knochen, wendige Hüften, pulsierendes Blut, schwerer Atem, ein Leuchten in den Augen, ein Duft, der überwältigt, und der Geschmack nach Salz. Und er hatte mich in den Armen, ich war in seinen Armen so unwiderstehlich wie Süßwein und so stark wie der Vulkan. Liebe mit Benito war nicht wie irgendetwas, das die Mutter, die Vettern oder Luise ihr zuvor erzählt hatten. Sie besaß kein Zuvor. Sie war einzig und neu, geschaffen aus Katharina und Benito, von keinem anderen je besessen. Nichts und niemand würde sie ihnen nehmen können.
Er zog Teile ihrer Kleidung über sie, damit sie nicht fror, aber sie fror ja nicht. Sie hielt ihn im Arm, fühlte auf seinem Rücken, wie sein Atem sich beruhigte, stützte den Kopf in eine Hand und betrachtete ihn. Neben der ihren war seine Haut so dunkel, dass es sie erschreckte und entzückte. Sein Körper war sehnig und kraftvoll. Er mochte gefährlich sein, doch zugleich kam er ihr in einer Weise schutzlos vor, die sie berührte.
Weitere Kostenlose Bücher