Im Land der gefiederten Schlange
kann dir jetzt nicht mehr anbieten als einen ziemlich unzureichenden Ehemann. Deinen Freund Stefan, der nie sonderlich viel zustande bringen wird, der aber keinen größeren Wunsch hat, als dich ein wenig glücklich zu sehen. Was die Familie betrifft, so ist alles in Ordnung. Deine Eltern, Hermann, Fiete, sie alle heißen unsere Heirat gut. Hermann hat mit meiner Mutter geredet und ihr klargemacht, dass sie im Unrecht ist.«
»Na wunderbar. Dann brauchst du dir ja keine Sorgen zu machen – Familienoberhaupt Hermann hat dir die Steine aus dem Weg geräumt.« Ihre Stimme klang immer beißender, je heftiger sie gegen ihre Tränen ankämpfte. »Ich bin müde«, erklärte sie. »Ich weiß für heute nichts mehr zu sagen.«
Stefan nickte. »Darf ich noch etwas sagen?«
»Wenn es nicht lange dauert.«
»Du magst mich und die anderen nicht brauchen, Kathi – aber ich weiß jemanden, der dich braucht.«
Sie erkannte die Worte. Mit einem Schlag wusste sie, von wem er sprach. »Wo ist sie?«
»Unten. Sie wartet mit Jo am Eingang zur Alameda.« Katharina konnte nicht fassen, was er ihr wieder einmal unter Gedruckse erklärte. Nach eingehender Beratung hatten Stefan und Jo beschlossen, Felice diesen heimlichen Besuch zu gestatten, weil das Mädchen sie erpresste. »Sie hat zum Schluss sogar das Essen verweigert. Wie du damals. Nur ein bisschen konsequenter.«
»Daran ist nichts zum Lachen«, verwies ihn Katharina und war schon auf dem Weg. Damit das Mädchen nicht verhungerte, hatten sie ihm erlaubt, sie zu sehen, allerdings ohne dass es dabei Martinas Haus betrat oder Felix traf. Sind wir völlig verrückt, fragte sie sich im Rennen, macht es Menschen im Kopf krank, wenn sie ihre Heimat verlassen, und werden sie nie mehr gesund? Aber Martinas Vater war nicht im Kopf krank, er stand fröhlich oben im Saal und tropfte den Saft mexikanischer Früchte in seinen süddeutschen Wein. Als sie hinaus in die Nacht trat, dachte sie nichts mehr. Sie sah nur noch das Mädchen, das im Schatten des Marmorportals wartete, sich von der Hand seiner Mutter losriss und quer über die Straße in ihre Arme stürmte.
»Kathi, Kathi! Ich habe dich so schrecklich vermisst.«
»Ich dich auch«, sagte Katharina und wünschte sich, so laut und hemmungslos zu weinen wie Felice. Sie stand allein in der Welt. Sie hatte ihren dreißigsten Geburtstag hinter sich, hatte kein Kind, und das einzige Mal, dass ihr in den Armen eines Mannes die Sinne vergangen waren, lag ihr halbes Leben zurück. Aber sie hatte Felice. Sie hatte dieses Kind wie ihr eigenes geliebt und würde niemandem erlauben, es ihr zu nehmen. Felice und sie hatten ein Recht aufeinander.
»Ich laufe ihnen weg«, sagte Felice, die aufgehört hatte zu weinen. »Ich will bei dir sein. Meinst du, Martina von Schweinitz lässt auch mich bei sich wohnen?«
»Martina täte das ganz sicher«, erwiderte Katharina. »Aber es ist keine Lösung, Felice. Wir müssen uns etwas anderes überlegen.«
»Bitte überleg dir gar nichts«, drang Jos Stimme aus dem Dunkel. »Stefan hat mir versprochen, dass er mir hilft, Felice wieder nach Hause zu bringen.«
»Dass er dir
hilft?
« Katharina war fassungslos. »Was soll das heißen, Jo? Dass er sie von mir wegreißt und zurück in die Burg schleift? Habt ihr denn alle den Verstand verloren, sogar du?«
»Davon verstehst du nichts«, erwiderte Jo mit seltsam körperloser Stimme. »Du magst entschieden haben, dass du den Schutz der Familie nicht nötig hast. Aber meine Tochter und ich haben ihn nötig, denn jeder Mensch sehnt sich danach, von etwas Teil zu sein. Was immer du tust, du wirst nie ungeliebt und ganz allein sein, doch Felice und ich besitzen nicht deine Gaben. Wir sind dort, wo wir stehen, am besten aufgehoben, und ich bin dankbar, dass die Familie uns schützt.«
Katharina wollte Jo widersprechen – und zugleich glaubte sie das Gefühl, das Jo beschrieb, wiederzuerkennen. Im Augenblick ging es nur um Felice, die sich an ihr festkrallte und die auch sie nicht loslassen wollte. Noch dringlicher aber war der Wunsch, das Mädchen nicht zu zerreißen. »Geh mit deiner Mutter nach Hause, Felice«, sagte sie sanft. »Wenn du versprichst, dass du nicht mit mir fortläufst, erlaubt sie dir sicher, wieder zur Schule zu kommen.«
»Darüber befinde nicht ich«, sagte Jo.
»Wer dann?« Katharina packte der Zorn. »Der Hermann vielleicht? Weil er selbst kein Kind hat, überlässt du ihm deines?«
»Ich habe sie dir überlassen«, erwiderte
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