Im Land der gefiederten Schlange
weißem Schmiedeeisen, umflochten mit roten und grünen Bändern. Drinnen saßen zwei wunderschöne weiße Tauben. In Katharinas Ohren klang es, als würde Martina wie die Vögel gurren, als sie und Felix sie aus dem Käfig holten und verzückt in den Händen hielten. Die Tiere schienen keine Scheu zu kennen, sondern ließen sich von Gast zu Gast reichen, ehe sie durch den Raum davonflogen.
»Sind sie nicht wundervoll!« Strahlend rannte Martina auf sie zu. Sie war eine schöne Frau, fand Katharina. Glück machte sie schön. Glück und das Wissen, von einem Mann geliebt zu werden, der es dafür mit der Welt aufnahm. »Es sind Brieftauben – eine Seltenheit in Weiß. Einerlei, wohin es uns verschlägt, sie finden immer ihren Weg zurück. Stell dir vor, bevor du stirbst, kannst du einen letzten Gruß aufschreiben und die Taube zu deinem Liebsten senden.«
Stefan lächelte. »Keine allzu vergnüglichen Gedanken, die du an deinem Verlobungstag hegst.«
»Ay Dios mio, du hast recht. Ich musste nur an Benito denken, der uns die Tauben geschickt hat, weil er nicht hier sein kann. Ich wünschte, zumindest heute Nacht müsste keiner meiner Freunde da draußen im Schlamm krauchen und seinen Hals dafür riskieren, dass dieses Land sein und werden darf, was es will.«
»Das glaube ich dir.« Das Lächeln rutschte Stefan vom Gesicht. »Wer weiß, vielleicht ist es nicht das Schlechteste, wenn Maximilian von Habsburg kommt. Es heißt, er soll ein liberaler Mann sein und Mexiko eine Verfassung geben wollen.«
»Bist du von allen guten Geistern verlassen?«, fuhr Martina auf. »Mexiko besitzt eine Verfassung. Was immer dieser Habsburg ihm geben will, kann er wieder mit nach Hause nehmen, und seine französischen Freunde, die auf offener Straße in Volksmengen schießen, gleich mit.«
Felix trat zu ihr und legte den Arm um ihre patriotisch bekleidete Taille. »Ihr Armen, verdirbt meine Holde euch den Abend mit Politik?« Zu Martina sagte er: »Komm tanzen, Medica linda, lass die Gäste sich amüsieren.«
»Nur einen Augenblick«, rief Stefan, als Martina herumschwang. »Señor Alvarez – kommt er in nächster Zeit noch einmal hierher?«
Martinas Augen wurden schmal. »Darf ich fragen, was das zu bedeuten hat? Erst erzählst du mir, dieser Max von Habsburg ist der neue Heilsbringer, und jetzt stellst du mir solche Fragen?«
Hastig schüttelte Stefan den Kopf. »Meine Frage hatte mit Politik nichts zu tun. Ich wollte dich nur bitten, ob …«
»Ob was?«
»Ob du ihm, wenn du ihn triffst, vielleicht ausrichten könntest, dass ich ihn gern sprechen würde.« Er atmete ein und aus, als hätte er einen Lauf hinter sich.
Martina sandte ihm einen zweifelnden Blick, dann nickte sie, hakte sich bei Felix ein und folgte ihm auf die Tanzfläche. Katharina sah ihnen nach, bis ihre umschlungenen Körper vor ihren Augen verschwammen. Eine der Tauben flatterte über ihre Köpfe hinweg.
»Warum?«, fragte sie. »Warum hast du das zu Martina gesagt?«
»Kathi«, begann Stefan.
Sie schoss zu ihm herum. »Nein, fang nicht wieder an, dir die Stirn zu reiben und dich zu benehmen wie ein Dreikäsehoch, der Angst hat, dass die Mutter ihm die Hosen strammzieht. Gib mir einfach eine klare Antwort. Warum hast du Martina gesagt, dass du Benito Alvarez sprechen willst?«
»Ich will ihn um Entschuldigung bitten«, sagte Stefan.
»Wofür?«
»Bitte frag mich nicht. Ich habe dir vorhin gesagt, ich weiß nicht, was ich tun soll. Ich weiß es immer noch nicht. Aber eines weiß ich: Wenn du es noch willst, Kathi, dann hätte ich gern, dass auch wir unsere Verlobung bekanntgeben. Ich hätte dir das früher sagen sollen, ich habe dir wohl das Gefühl gegeben, nicht zu dir zu stehen. Aber so war es nicht. Ich habe nur nicht gewusst …«
»Wie du es deiner Mutter beibringen sollst?«, fragte sie beißend, »oder ob du nicht doch lieber die Finger von einer Frau lassen solltest, von der du nicht einmal weißt, wer sie ist?«
»Das habe ich nicht gemeint«, erwiderte er traurig. »Aber falls es das ist, was dich bedrückt – Christoph hat auch mit mir gesprochen.«
»Erzähl mir doch nichts!«, schrie sie, so dass Köpfe sich drehten. »Mit dir brauchte doch Christoph nicht zu sprechen, du hast all die Jahre Bescheid gewusst.«
»Nein«, sagte Stefan. »Ich habe geglaubt, ich wüsste Bescheid. Deshalb habe ich mich in Dinge gemischt, die mich nichts angingen, und ich wünschte, ich könnte das rückgängig machen. Aber das kann ich nicht. Ich
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