Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Im Land der gefiederten Schlange

Im Land der gefiederten Schlange

Titel: Im Land der gefiederten Schlange Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: carmen lobato
Vom Netzwerk:
ihr Ohr raunte, hatte sie entdeckt, dass die fremde Welt ihr gefiel – sich um sich selber drehen, bis alles eins war. Den Kopf in den Nacken legen und tanzen, bis die Welt verschwamm.
    Sie zog die Tür auf und wäre beinahe gegen ihn geprallt. In seiner Galauniform stand er vor ihr, das schöne Haar zu streng geglättet und mit einem Duft, als hätte er sich selbst als kleiner Junge nie schmutzig gemacht. »Valentin!«
    Er zog sie an sich. Im Dunkel des Gangs presste er ihr die Lippen auf den Hals. Küsste sie, dass die Festgäste die Spuren sehen würden. Es kümmerte sie nicht. Sie war stolz darauf. Auf seine Weise war Valentin, der kaisertreue Offizier, nicht weniger unkonventionell als Felix. Seine Liebe zu ihr verbarg er vor niemandem, nicht einmal vor seinem Kaiser. Sie küsste ihn wieder. »Danke, dass du mit mir dorthin gehst.« Die Musik, eine flinke Quadrille, schien nach ihnen zu rufen. Martinas helles Lachen hallte durch den Raum.
    Ein wenig knurrend lachte er auf. »Du kannst dir nicht vorstellen, wie es mir widerstrebt. Gerade heute, wo ich liebend gern etwas anderes mit dir gefeiert hätte.«
    »Was?«, rief sie. »Sag’s mir. Wir feiern es.«
    »Hier? Auf dieser Hochburg liberaler Zersetzung? Unter Subjekten, die sich nicht scheuen würden, meinem Kaiser Schlangengift zu verabreichen, wenn sie Gelegenheit dazu erhielten?«
    Sie legte ihm die Hand auf die Wange und spürte fiebrige Hitze. »Das ist nicht wahr«, versuchte sie ihn zu beruhigen. »Zum einen ist es mir neu, dass du
liberal
als Schimpfwort benutzt. Und zum anderen mögen die Leute hier zwar deine Meinung nicht teilen, aber zu Attentätern macht sie das noch lange nicht.«
    »Und dessen bist du dir sicher?«
    Sie sah in seine Augen, die schmal geworden waren, und schüttelte sich gegen die Beklommenheit. »Weshalb sollte ich mir nicht sicher sein? Und jetzt lass uns damit aufhören, ja? Ich will mit dir tanzen, Liebster, ich will wissen, was du zu feiern hast.«
    Nur anfangs widerstrebend, ließ er sich von ihr in Richtung Treppe führen. Am Absatz blieb er stehen. »Diese Musik, die sie hier spielen, klingt immer nach Blut und Lust – selbst europäische Tänze. Ich kann sie nicht hören, ohne an dich zu denken, und heute bist du noch schöner als sonst. Du bist so schön, dass es verboten gehört, weil deine Schönheit Männern das Rückgrat bricht.«
    »Was ist denn mit dir los?« Katharina zog seinen Kopf zu sich und küsste ihn. »Ich will doch dir nicht das Rückgrat brechen – und andere Männer gibt es für mich nicht.«
    »Das schwörst du mir, nicht wahr? Ich wüsste nicht, was ich andernfalls täte.«
    Er sagte dergleichen nicht zum ersten Mal. Es hatte sie verwundert, und es hatte ihr geschmeichelt, aber heute machte es ihr Angst. »Liebster, was hast du? Ich dachte, du wüsstest, dass es neben dem, was du für mich bist, nichts anderes geben kann.«
    Aufstöhnend lehnte er seine Stirn an ihre Schulter. »Verzeih mir, mein Leben. Du hast recht. Ich bin einfach erschöpft von diesem ewigen Kampf, von den Steinen und Knüppeln, die man uns in den Weg wirft. Und wenn ich dann diese Versammlung von Kaiserfeinden sehe, verliere ich die Beherrschung. Aber ich gelobe, ich will das alles heute Nacht vergessen und mit meiner Zauberin tanzen, dass dem Haufen vor Neid die Galle übergeht. Schließlich haben wir es uns verdient. Der Teufel Romero ist endlich zur Strecke gebracht. Sein indianischer Winkeladvokat hat ihn nicht heraushauen können, und heute früh haben wir mit der Ratte ein Ende gemacht. Der Advokat mordet selbst bei der Guerilla, ich bin sicher, ich habe ihm in Michoacán gegenübergestanden. Ich weiß, diese Indios sehen alle gleich aus, aber der ist einen Kopf größer als der Rest und auch sonst unverkennbar.«
    Sie küsste ihn und zog ihn die Treppe hinunter. »Hast du nicht gelobt, das alles eine Nacht lang zu vergessen?« Zu feiern, dass ein Mensch getötet worden war, widerstrebte ihr, aber dennoch rief sie ihm ermunternd zu: »Gehen wir, trinken wir ein Glas auf euren Sieg.«
    Vielleicht trugen der festlich geschmückte Saal und die formvollendete Begrüßung durch Martinas Vater etwas zu Valentins Beruhigung bei. Der Champagner tat es auf jeden Fall. Sie leerten ein Glas und ließen sich eiligst ein zweites bringen. Allmählich spürte Katharina, wie der Aufruhr in ihnen beiden nachließ. Als Valentin ihr den Arm bot, um sie in den Walzer zu führen, war ihr Schritt beinahe leicht. Von der Süße der Musik

Weitere Kostenlose Bücher