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Im Land der gefiederten Schlange

Im Land der gefiederten Schlange

Titel: Im Land der gefiederten Schlange Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: carmen lobato
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baut er nicht Straßen und Schienenwege, liebt er dieses Volk nicht, als wäre es sein eigenes?
    Der Jubel, der im Saal losbrach, war unbeschreiblich. Das Mobiliar schien zu wackeln, Menschen rannten und sprangen einander entgegen und stürzten einander in die Arme. Korken knallten. Das Orchester begann wieder zu spielen, obwohl in dem Lärm kein Mensch etwas hörte. Auch das unter der Hand gewisperte
Es lebe das freie Mexiko
blieb eine Ahnung, für die niemand belangt werden konnte. Den Sieg der Union zu feiern war schließlich nicht verboten.
    Valentins Gesicht war weiß vor Zorn. »Wir gehen!«, schrie er Katharina an und umfasste ihren Arm, dass ihr ein Schmerzlaut entfuhr. Sie wollte etwas sagen, sich befreien, stehen bleiben, er aber zwang sie in Richtung Tür.
    Eine Stimme erhob sich über das Gewirr. »Einen Augenblick, bitte.«
    Katharina fuhr herum, so weit es Valentins Griff erlaubte.
    »Es tut mir leid, Sie zu stören.«
    Nein, begehrte alles in Katharina auf, es tut dir überhaupt nicht leid. Ich will, dass du gehst. Jetzt sofort. Dass du den Kopf zur Seite drehst und mich nicht mehr ansiehst, dass du gehst und nicht wiederkommst.
    »Lassen Sie Ihre Finger von der Dame!«, herrschte Valentin ihn an und legte die Hand auf den Knauf seines Säbels.
    »Selbstverständlich.« Der Mann hob die Hände. Er hatte sie nicht angerührt. »Ich habe nur jemandem versprochen, für ihn den Kurier zu spielen und Katharina auf ein Wort nach draußen zu bitten.«
    »Und wer soll dieser Jemand sein?« Valentin schien außer sich. Der strahlende Offizier mit den vollendeten Manieren war nicht wiederzuerkennen. Erneut griff er nach Katharinas Arm. Nahezu lautlos trat Benito dazwischen und hinderte ihn. Lass Valentin mit mir tun, was er will, wollte sie ihn anschreien, lass ihn mir weh tun, dich geht es nichts an. »Weshalb sprechen Sie überhaupt Deutsch?«, fragte Valentin weiter, das zuvor weiße Gesicht gerötet, die Adern am Hals geschwollen. »Und was zum Teufel fällt Ihnen ein, meine Begleiterin beim Vornamen zu nennen?«
    Die Männer standen jetzt Brust an Brust, die Gesichter so dicht voreinander, dass einer des anderen Atem spüren musste. Erst jetzt bemerkte Katharina, dass Jubel und Gespräche um sie verstummt waren und sich ein Ring aus Schaulustigen gebildet hatte. Valentin sah aus, als bliese er seinen Brustkorb auf. Seine Hand hielt den Säbelknauf umklammert. Wenn sie nicht wollte, dass hier Schlimmeres geschah als ein Skandal, musste sie eingreifen. Sie sprang hinzu und stieß Benito vor die Brust. Ohne zu zögern wich er zwei Schritte zurück. Katharina schob sich zwischen sie und strich Valentin über den Arm. »Lass mich doch nachsehen, wer mich sprechen will«, sagte sie so gelassen wie möglich. »Es wird ja nicht lange dauern. Dieser Mann war ein Pferdeknecht meines Vaters, ich nehme an, er bringt mir Nachricht von meiner Familie.«
    Sie hatte Valentin nur das Nötigste über ihre Familie erzählt. Dass sie aus Hamburg stammten, dass sie sich im Streit von ihnen getrennt hatte. Zu ihrer Erleichterung hatte er nach mehr nie gefragt.
    »Dann gehe ich mit dir«, knurrte Valentin. »Nicht er. Du brauchst keinen Pferdeknecht zur Begleitung.«
    Katharina, die in Benitos Augen gesehen hatte, senkte hastig den Kopf.
    »Gehen Sie durch den linken Flügel und den Rosengarten, dann durch das kleine Tor, das zur Alameda hinausführt«, sagte Benito zu Valentin. »Es geht mich nichts an, aber vielleicht bleiben Sie am Tor stehen? Diesen Leuten werden die Fenster eingeschlagen, weil man sie mit Franzosen und Österreichern in einen Topf wirft. Ich denke, sie würden nicht allzu gern mit einem Uniformierten der Kaisergarde gesehen werden.«
    »Und weshalb sprechen diese sogenannten Leute nicht beim Hausherrn vor wie zivilisierte Menschen?«
    Ein halbes Lächeln flog über Benitos Gesicht und verschwand. »Sie haben Angst«, sagte er und zuckte mit einer Schulter. »An Ihrer Stelle würde ich sie nicht mit allzu strengen Maßstäben messen.«
    »Habe ich Sie nach Ihrer Meinung gefragt?«
    »Ich bin schlecht erzogen«, erwiderte Benito. »Ich spreche ungefragt.«
    »Hört auf!«, schrie Katharina. »Ich gehe alleine, habt ihr verstanden? Ich brauche keinen von euch dazu.«
    Sie drehte sich um und lief los. Was die beiden einander taten, wollte sie nicht sehen. In ihrem Rücken ertönte leiser Applaus. Katharina rannte den ganzen Weg durch den Gang des Palais und den Garten, ohne sich darum zu kümmern, ob ihr

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