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Im Land der gefiederten Schlange

Im Land der gefiederten Schlange

Titel: Im Land der gefiederten Schlange Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: carmen lobato
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seiner Art, sie zu behandeln, als wäre sie die Herrscherin seiner Welt. Ich und sein Kaiser. Dass ihm an ihr und ihrem Glück so viel lag, tat unendlich wohl.
    Nur deshalb – weil er sie glücklich sehen wollte – hatte er zugestimmt, sie auf Martinas Fest zu begleiten. Obwohl er bis vor Tagen mit seiner Einheit in Michoacán gekämpft hatte. Obwohl er Martina als Feindin betrachtete und dank deren Mangel an Takt inzwischen wusste, dass seine Abneigung erwidert wurde.
    Katharina hatte sich deswegen mit Martina gestritten. Dass die beiden einander schnitten, ließ sich schweren Herzens ertragen, doch dass Valentin in dem Haus, in dem sie lebte, gekränkt wurde, durfte sie nicht dulden. Wieder einmal hatte sie beschlossen, aus dem Palais auszuziehen, und hatte es Martina ins Gesicht geschleudert. »Ich kann dich nicht anbinden«, sagte Martina, die vor dem Käfig stand und ihre Tauben fütterte. »Aber tu mir einen Gefallen – wenn du wieder bei Verstand bist, komm zurück. Mach’s nicht wie Inez.«
    Inez war eine verwahrloste Indio-Frau, die Martina aufgenommen hatte. »Was hat Inez gemacht?«, fragte Katharina.
    »Sie ist als junges Mädchen mit einem vermögenden Kerl durchgebrannt, hat im Rausch mit ihm gelebt und ihm ein Kind geboren. Als der Rausch zu Ende war, fing er an ihr die Zähne auszuschlagen. Sie war zu stolz, zu ihrer Familie zurückzukehren, also hat sie durchgehalten, bis er sie auf die Straße warf und sie samt des Kindes verhungert wäre. Ich habe Angst um dich, Kathi. Kannst du nicht diese Höhle weiter als dein Zuhause betrachten, obwohl du mich gerade in der Luft zerreißen möchtest?«
    Katharinas Zorn hätte noch mächtiger sein sollen, weil sie Valentin mit einem Kerl verglich, der Frauen die Zähne ausschlug, aber Martinas Wärme entwaffnete sie. Als die Freundin die Arme um sie legte, wehrte sie sich nicht. »Und bevor du mit deinem Valentin in den Liebeshimmel von Chapultepec ziehst – wirst du meine Brautjungfer? Wir können nicht mehr warten, Felix und ich. Mir wächst ein Kind im Bauch, Kathi.«
    Fassungslos hatte sie die Freundin angestarrt. Nun, da sie es wusste, bemerkte sie die Veränderungen. Martinas knabenhafter Leib wirkte rundlicher, das Gesicht weicher und der Blick der Augen verschleiert, als würde sie träumen. Katharina wollte ihren Glückwunsch aussprechen, doch keine Silbe kam ihr über die Lippen. War sie nicht fähig, sich für Martina und Felix zu freuen? Ein Zerrbild von sich selbst stieg vor ihr auf – die von Neid zerfressene kinderlose Jungfer, die anderen ihr Glück verleidete. Helfen konnte sie sich nicht. Die Vorstellung von dem Wunder, das sich an Martina vollzog, während es ihr versagt blieb, schmerzte sie tief.
    Hatte sie sich je ein solches Wunder gewünscht? Sie wünschte es sich jetzt. Derweil sie auf Martinas Bauch starrte, stellte sie sich einen kleinen Jungen vor, dem Valentins herrliches Haar in die Stirn hing. Ein kleines Mädchen, wie Felice eines gewesen war, mit Valentins schillerndem Blick.
    Natürlich hatte Valentin sich zunächst entrüstet geweigert, an den Hochzeitsfeiern teilzunehmen. Dann aber waren die Kämpfe von Michoacán gekommen, die Wochen, die sie fern und ohne Nachricht von ihm verbracht hatte, und die Angst um sein Leben, an die sie nie wieder denken wollte. Als er zurückkam und begriff, dass sie vor Furcht halb von Sinnen war, versprach er, mit ihr auf die Hochzeit zu gehen. Zwar nicht zum Traugottesdienst, aber immerhin auf den Ball, den Martina und Felix im großen Saal des Palais für mehr als hundert Gäste gaben.
     
    Mit einem Seufzen schob sie eine Haarsträhne in die Spange zurück. Für die Aufsteckfrisur, die Valentin liebte, war ihr Haar zu schwer – wie die schlüpfrigen Aale ihrer Kindheit versuchte es ständig sich aus den Knoten zu lösen. Na komm, du wirst ihm schon schön genug sein, gab sie sich einen Ruck, blies die Kerzen aus und wandte sich vom Spiegel fort. Durch die Tür drangen Musik und das Gewirr von Gelächter und Stimmen.
    Als sie zum ersten Mal mit Valentin einen Ball besucht hatte, wäre sie am liebsten davongelaufen. Wie sollte sie in dieser Welt der rauschenden Kleider, des verschwenderischen Lichtes der Kronleuchter und des Klingens von Kristall bestehen? Sie war sich alt vorgekommen, beladen mit einem Leben, das ihr die Leichtigkeit der übrigen Gäste versagte. Nach den ersten Gläsern Champagner jedoch, nach dem ersten Walzer in Valentins Armen und der Liebeserklärung, die er in

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