Im Land der gefiederten Schlange
unterbrach, um das Herrscherpaar zu begleiten. Die Gardeeinheit, die ihm neuerdings unterstellt war, sollte für Maximilians Sicherheit sorgen. Wer, von den geladenen Gästen des Kaisers abgesehen, in die Vorstellung wollte, wurde von Kopf bis Fuß durchsucht. »Verschwörer lauern in jedem Winkel«, sagte Valentin. »Nicht eine einzige Stunde Entspannung ist dem Kaiser mehr vergönnt.«
»Aber warum denn?«, fragte Katharina. »Das Volk hat ihn doch gewählt, und die Regierung Juárez hat klein beigegeben. Welchen Grund gibt es noch, die Kämpfe fortzusetzen?«
»Weißt du das nicht besser als ich?«, fuhr er sie an. »Wir sind in ein Land geraten, das weder Treue noch Dankbarkeit kennt, und die uns Hilfe versprachen, lassen uns allein.«
Künftig mied Katharina das Thema, denn was immer sie dazu sagte, feuerte Valentin in seinem Zorn noch an. Schon gar nicht würde sie heute davon anfangen und sich die kurze Zeit an seiner Seite verderben. Stattdessen begann sie schon am Morgen, sich von Rosa das Haar mit Öl pflegen, waschen und auskämmen zu lassen, sich nach dem Bad wie eine Göttin zu salben und anschließend ihre Garderobe auszuwählen. Merkwürdig war es, für derlei Nichtigkeiten einen ganzen Tag aufzuwenden, doch wenn es Valentin von seinen Sorgen ablenkte, sollte es ihr eine Freude sein.
Das Gran Teatro Nacional besaß einen herrlichen, mit Sternengefunkel ausgemalten Kuppelsaal, in dem es leichtfiel, die Wirklichkeit auszuschließen. Geboten wurden Lieder und Tänze mexikanischen wie österreichischen Ursprungs, und singen sollte Angela Peralta, die Sopranistin, der ganz Mexiko zu Füßen lag. Valentin in der neuen Uniform der kaiserlich-mexikanischen Armee war ohne Zweifel der schönste Mann im Theater. Der zerquälte Zug um die Augen, der die Jungenhaftigkeit von einst zerstört hatte, tat dieser Schönheit keinen Abbruch. Im Gegenteil. Aus dem hübschen Knaben war ein Mann geworden. Wenn auch kein glücklicher, dachte Katharina bitter.
Sie teilten sich ihre Loge, die direkt über der des Kaiserpaares lag, mit Oberst López von den Ulanen und seiner schüchternen blutjungen Frau. Katharina mochte den Oberst. Er war ein ruhiger Mann mit einem freundlichen Humor, und anders als die meisten von Valentins Kameraden zog er es vor, nicht über die militärische Lage zu palavern. Es gab mehrere Pausen, in denen Champagner zu hauchdünnem Butterbrot und Austernpastete serviert wurde. Von den Liedern erregte keines Aufsehen, aber die Stimme der Peralta war ein Genuss, so üppig und dunkel, als sänge sie jeden Ton aus der Tiefe ihres Herzens. Der Stimmung half das jedoch nicht auf. Eine Spannung lag über den Köpfen, Gespräche verliefen wortkarg, und Oberst López klopfte während der Darbietung nervöse Rhythmen auf seine Stuhllehne.
In der zweiten Pause gesellte sich ihnen ein drittes Paar zu, einer der österreichischen Hauptleute namens Lechner und seine Gattin, deren machtvoller Brustkorb den Raum in der Loge beengte. Lechner hatte offenbar etwas mit Valentin besprechen wollen, ärgerte sich, dass er aus Rücksicht auf López kein Deutsch sprechen durfte, und plagte sich mit dürftigem Spanisch. »Diese Peralta kann mir gestohlen bleiben«, schimpfte er und wechselte nach dem einen Satz doch wieder ins Deutsche. »Von mir aus mag sie trällern wie eine Nachtigall, aber in der ganzen Stadt ist doch bekannt, dass das eine verkappte Liberale ist.«
»Ich glaube, ich störe hier«, bemerkte der höfliche Oberst López. »Ich habe ohnehin etwas mit General Mendez zu klären.« Damit zog er sich zurück und überließ Valentin dem Geschimpfe von Lechner, während dessen Frau auf seine kleine Gattin einplapperte, ohne sich daran zu stören, dass diese ebenfalls kein Deutsch verstand. In ihrem Redeschwall ging es um die Herzigkeit des kleinen Iturbide-Prinzen, der ein gar zu goldiges Schnütchen ziehen könne, auch wenn ihm die fremde Abkunft ins Gesicht geschrieben stehe. Als Habsburger-Thronfolger sei er doch nicht recht vorstellbar, und wie bedauerlich sei es, dass ein so prächtiges Paar wie Maximilian und Charlotte kein Kindchen hatten. Katharina behandelten beide – Lechner wie seine Frau –, als wäre sie Luft.
Ohnehin hätte sie zu dem Gespräch über das Kind der Alice Iturbide nichts beitragen können. Auch mit Valentin sprach sie nicht mehr darüber, weil das Thema sie zu sehr aufbrachte. Was empfand die Frau, der man ihr zweijähriges Kind entrissen hatte, die es nie wieder in den Armen
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