Im Land der gefiederten Schlange
kein Mensch zweiter Klasse. Señor Alvarez schon gar nicht. Solche Männer aufzuhängen heißt, dieses Land auszubluten, bis es sich nicht mehr erhebt.«
Katharina verstand kein Wort und konnte auch keines glauben. Benito starb wegen eines Stück Papiers, auf dem irgendetwas über Juárez stand? »Aber der Kaiser?«, stammelte sie, während sie Valentin über den Gang bereits kommen sah.
»Was ist mit dem Kaiser?«
»Die Männer wollten den Kaiser erschießen …«
López warf ihr einen argwöhnischen Blick zu. »Wie kommen Sie denn darauf? Sie hatten ja nicht einmal Waffen bei sich.«
Ich bin schuld, hämmerte es im Rhythmus der Räder in ihrem Kopf, während die Kutsche sie nach Chapultepec trug. Benito kann nicht töten, einerlei, was er mir über einen Mann erzählt hat, den er angeblich erschossen hat. Hätte ich nicht vergessen, dass ich Benito kenne wie mich selbst, hätte ich ihn fliehen lassen. Diese Inez hat ihn verraten, weil sie ein armer Wurm ohne Zähne ist, der hilflos um sich schlägt, aber schuld ist sie nicht. Schuld bin ich.
Der nächtliche See war voll flüsternder Geheimnisse. Valentin schloss die Tür auf und stieß Katharina ins Dunkel der Sala. Ein weiterer Stoß warf sie durch den Raum und aufs Bett. Dann erst steckte er auf dem Tisch die Kerze an, nahm eine Flasche und trank.
»Du darfst das nicht tun«, sagte Katharina.
»Was darf ich nicht tun? Was auf der Welt gibt es, das eine mexikanische Hure wie du mir verbieten könnte?«
»Du darfst die Männer nicht töten!«, rief Katharina, die jedes seiner Worte wie ein Hieb traf. »Wenn du mich nicht hören willst, denk an den Kaiser. Es wird das Volk gegen ihn aufbringen, dass du vier Männer wegen ein paar Flugblättern hängst.«
»So? Meinst du?« Er stemmte die Hände in die Seiten und sah sie hasserfüllt an. »Hör mir zu, du Hure – meinen Kaiser und mich, das lass aus dem Spiel. Das ist heilig, und von heiligen Dingen verstehst du nichts. Dein schwarzer Pferdeknecht hängt morgen früh am Galgen, da kannst du dich winden, wie du willst.«
Sie hätte Angst haben sollen. Sie hatte ihn nie zuvor so außer sich erlebt, aber in ihr war völlige Ruhe, Kälte und Besonnenheit. Sie sprang vom Bett und lief auf ihn zu. Obgleich sie sah, dass er sie schlagen wollte, lief sie weiter und warf die Arme um seinen Hals. Ehe er fortfahren konnte zu schreien, verschloss sie ihm die Lippen und zog ihn zum Bett. Ich habe keinen Namen. Ich habe weder Ehre noch Eltern. Eine Hure bin ich und liebe um den Preis eines Lebens. Jäh schossen ihr Bilder durch den Kopf von dem Tag, als der Mann den Stier getötet hatte und alles in ihr sich gewehrt hatte, weil Töten nicht so schön sein durfte. Sie liebte Valentin mit der Entschlossenheit des Stiertöters, des Matadors. Erst als er entkräftet an ihrer Seite nach Atem rang, stand sie auf und holte Wein und Wasser.
»Ich hasse dich«, keuchte er. »Und ich liebe dich. Was hast du teuflische Sirene nur mit mir getan?«
»Dich geliebt«, sagte Katharina, tauchte den Zipfel des Lakens in Wasser und rieb ihm den Schweiß von der schön geformten Stirn.
»Wie soll ich ohne dich leben, beim Teufel, wie?«
»Du brauchst nicht ohne mich zu leben«, entgegnete sie, beugte sich vor und küsste ihm die Wangen. »Ich liebe dich.«
Er packte ihr Gesicht und küsste sie, grub seine Zähne in ihre Lippen. »Du machst, dass ich mich nicht wiedererkenne«, sagte er. »Ich bin kein rasender Mondsüchtiger, der durch die Nacht rennt und nicht weiß, was er tut. Du hast mich dazu gemacht.«
Katharina betupfte ihm die Stirn. »Es tut mir leid, Liebster. Ich will dich nicht rasend machen, ich will dich nicht quälen. Ich lebe in diesem Haus nur für dich und sehe keinen Menschen.«
»Meinst du das ernst? Und wenn ich meinen Burschen abstelle, damit er dich Tag und Nacht bewacht?«
»Stell ihn ab«, sagte sie. »Lass ihn mich Tag und Nacht bewachen. Du musst nur eines für mich tun.«
»Nein«, rief er und versuchte sich aufzurichten, »nicht die Männer!«
Sie drückte ihn nieder und bedeckte sein Gesicht mit Küssen. »Hast du mir nicht erzählt, es schrecke diese Leute nicht ab, wenn ihr sie erschießt und an Bäume hängt? Hat euch Napoleon nicht geraten, sie durchzupeitschen, weil das Pack sich vor Prügeln mehr fürchtet als vor Tod und Teufel? Peitsch sie durch, Valentin. Gib ihnen ihre Strafe und lass sie laufen. Dein Kaiser braucht kein Land ohne Menschen.«
Sie wollte ihn noch einmal küssen, doch er
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