Im Land der gefiederten Schlange
setzte sich auf. Seine Augen waren schmal. »Willst du das wirklich?«
»Ja.«
»Und du tust im Gegenzug etwas für mich?«
»Was immer du willst.«
Er sprang aus dem Bett, nahm die Weinflasche und schüttete sich die letzten Tropfen in die Kehle, ehe er sich wieder zu ihr wandte. »Du siehst es dir an.«
Katharina schluckte. Dann nickte sie.
»Zieh dich an. Wenn ich den Fehler meines Lebens begehe, sei der Herrgott mir gnädig. Wir fahren zurück in die Stadt, um das Urteil umzuwandeln. Sechzig Hiebe mit der Neunschwänzigen für die drei Helfershelfer und hundert für deinen indianischen Pferdeknecht. Und du, meine zarte Geliebte, stehst dabei und siehst es dir an.«
Katharina biss die Zähne zusammen, um das Zittern ihrer Glieder unter Kontrolle zu bringen, sammelte ihre Kleider vom Boden und begann sie sich anzulegen. Sechzig Schläge entsprachen dem üblichen Maß, von dem man annahm, dass jeder gesunde Mann es ohne dauerhafte Schäden überlebte. Es war alles, was sie tun konnte. Valentin, schon in Hemd und Hosen und mit goldenen Wellen in der Stirn, trat hinter sie und küsste ihren Nacken. »Du wirst mir gehorchen, ja? Du wirst sein wie ein edles Pferd, das ein Mann mit stählernem Willen zugeritten hat.«
Sie nickte. Er küsste ihren Nacken noch einmal. »Wofür gibst du ihm vierzig Schläge mehr?«, fragte sie gepresst. »Er hat nichts getan.«
Valentin hielt das Gesicht über ihren Nacken gebeugt. »Wenn du nicht weißt, wofür er die bekommt, er weiß es«, sagte er und bedeckte die ersten Wirbel ihres Rückens mit Küssen.
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Fünfter Teil
Querétaro
März 1866
»Willst du nicht mit mir kommen, meine Liebste?
Komm mit mir, dorthin, wo ich lebe.«
50
C armen kochte Suppe aus verdünnter Milch, Amarant und Cilantro und füllte sie in eine steinerne Schüssel, eine Metate, in der sie nur langsam auskühlen würde. Zusammen mit einer Flasche Sirup, den sie aus Zuckerrohr, Zimt und Weißdornfrüchten bereitet hatte, stellte sie sie in ihren Korb und trug ihn hinauf zur Grauen am Berg. Von dem Sirup, der Kraft gab, würde die Kranke kaum trinken können, aber Carmen wollte nichts unversucht lassen.
Der Frühling kam spät in diesem Jahr. Für den Weg den Hang hinauf legte sie einen Sarape um. Es war Carlos’ Sarape. Sie liebte seinen Geruch. Auf dem Pfad zwischen den Sträuchern des Bergkaffees musste sie lächeln, denn sie alle hatten grün und kräftig ausgeschlagen. Vor einem Jahr, zum Setzen der Pflanzen, hatten sie Carlos ins Freie getragen, damit er seine Hände in die Erde senken konnte und die Wurzeln der jungen Pflanzen spürte, obgleich in seinen Händen nur noch wenig Gefühl war. Sie hatten ihm eine Schaufel gegeben und auf die Schaufel Erde gehäuft. Anfangs hatte er protestiert, er komme sich albern vor und wolle die Arbeit nicht aufhalten. Carmen aber hatte darauf bestanden. »Du musst. Wirf Erde in die Gruben. Wenn die Sträucher drei Mann hoch sind, will ich Miguels Kindern sagen: Diese Pflanzen hat euer Großvater eingegraben.«
Sie würden gedeihen, dessen war Carmen sicher. Der Boden war gut, und Xavier hatte sich mit Sorgfalt vorbereitet. Die Pflanzen würden Früchte wie rote Perlen tragen und reiche Erträge bringen, sobald wieder Händler über Land reisten und Menschen vor ihren Häusern in der Sonne saßen, um Kaffee mit Zucker und Zimt zu trinken. Bis dahin hatten die jungen Pflanzen Zeit zu wachsen.
Carlos war in einer Nacht im Winter gestorben. Am Abend hatte er noch mit ihnen in der Sala gesessen und mit den schlaffen Händen Karten gespielt, doch beim Hinübertragen hatte er Carmen gebeten: »Bitte leg dich nicht schlafen. Bitte sitz noch bei mir.« Weil er dergleichen sonst nie tat, sondern stets darauf bestand, dass sie ihren Schlaf bekam, wusste sie, dass es in dieser Nacht bevorstand, und saß voll Furcht an seinem Bett.
Er machte es ihr leicht. Wie er ihr alles leichtgemacht hatte. Lange lag er still da, so dass man annehmen konnte, er schliefe, wenn man nicht auf den gequälten Atem hörte. Sie glaubte, er werde keine Kraft mehr zum Sprechen finden, versuchte verzweifelt sich zu erinnern, was er als Letztes zu ihr gesagt hatte, und wollte weinen, weil es ihr nicht einfiel. Dann aber drückte seine Hand, die wie leblos in ihrer lag, noch einmal zu. Aus weit geöffneten Augen sah er sie an und sagte: »Ich liebe dich, Carmen.« Dann machte er die Augen zu und starb.
Carmen stapfte weiter den Pfad hinauf, ließ sich den schneidenden Wind ins Gesicht
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