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Im Land der gefiederten Schlange

Im Land der gefiederten Schlange

Titel: Im Land der gefiederten Schlange Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: carmen lobato
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Schläge mit dem Messingknauf, die sie noch immer auf Benitos Körper niederprasseln sah, noch an die Narbe in seinem Augenwinkel. Ich werde ihn beschützen, trumpfte sie trotzig auf, sooft sich bei Nacht die Gedanken nicht zum Schweigen bringen ließen. Bei Tag fühlte sie sich zumeist geborgen in der Glocke der Liebenden, in der Entdeckung und Bestrafung nicht möglich waren.
    Offenbar hatte diesmal sie Stefans Geduld auf die Probe gestellt, denn er fuhr fort: »Ich mag diesen Burschen, auf den du dich versteift hast, gern.«
    Das verwunderte Katharina, nicht nur, weil Benito einem Volk angehörte, das Stefans Mutter als Affen bezeichnete. Benito und Stefan waren einander einmal unweit des Temperley’schen Hauses begegnet, und dabei hatte Benito, der so viel verzückenden Zauber versprühen konnte, sich von seiner unleidlichsten Seite gezeigt. Tatsächlich hatte er Stefans Gruß kaum erwidert und sich betragen, als hätte kein Mensch ihn Manieren gelehrt. Katharina hatte ihn dafür gehörig ausgescholten, aber etwas in ihr freute sich diebisch daran, dass er seine Liebenswürdigkeit, seinen Charme und sein Lächeln nur ihr schenken wollte und niemandem sonst.
    »Kathi?«
    »Was ist denn?« Sie hatten den Treffpunkt fast erreicht, ihr Herz begann in hohen Sprüngen zu klopfen, und das Gespräch mit Stefan wurde lästig.
    »Versprichst du mir eines?«
    »Wenn ich kann.«
    »Vergiss nie, dass dein Benito kein hübsches Spielzeug ist«, sagte er. Ehe sie zu einer scharfen Erwiderung ansetzen konnte, hauchte er ihr einen Kuss auf den Scheitel und bog in die Gasse ein, während Katharina an der Ecke warten musste. Er hatte das Tor fast erreicht, als er sich noch einmal umdrehte. »Übrigens, falls er Arbeit sucht, lass es mich wissen. Ich denke, ich kann bei den Temperleys mit jemandem reden.«
    Mit jemandem, das hieß ja wohl mit Georgia. Stefans verklemmte Bemühungen, den Namen seiner Liebsten zu meiden, amüsierten Katharina, und ihre Wut auf ihn verpuffte. Weshalb sollte aber Benito Arbeit brauchen? Dass er die Tuchfabrik aufgegeben hatte, wusste sie, aber dafür unternahm er doch Ritte für die Armee, und außerdem hatte er seine Stellung bei der gottverfluchten Helen. Allerdings hätte sich Katharina kaum etwas mehr gewünscht, als dass er dort nicht mehr hinging. Und wenn sie hundertmal erst fünfzehn war – um zu wissen, dass diese Helen sich ebenso wie sie wünschte, mit Benito in einem Zimmer allein zu sein, brauchte sie keine weise Greisin zu sein.
    Sobald sie Schritte hörte, fuhr sie herum und sah ihn die Straße heraufkommen, um die Schultern einen Sarape, der dunkelrot, zerschlissen und schön war. Die Staubwolke, die seine Sohlen aufwühlten, glühte im Abendlicht, und Katharina wünschte, der Daguerreotypist wäre da und hielte dieses Bild für sie fest, damit sie es anschauen konnte, wenn Benito nicht bei ihr war. Er blieb stehen und stutzte, im Mundwinkel die Spur eines Lächelns. »Worüber freust du dich denn so?«
    »Über dich«, erwiderte sie schlicht, ging zu ihm und wünschte sich für ein paar Atemzüge gar nichts mehr.
    Wieder einmal liefen sie quer durch die Stadt, versteckten sich, sooft ihnen Menschen entgegenkamen, in Höfen und Hauseingängen, schlugen Haken und verlangsamten ihre Schritte erst, als sie das düstere Hafenviertel voll verfallener Häuser erreichten, in dem niemand sich um sie kümmerte. Katharina machte es nichts aus. Sich verbergen zu müssen, in zwielichtigen Winkeln der Stadt herumzustreunen, gehörte zu dem Abenteuer ihrer Liebe.
    Da sie angeblich ja zum Dinner eingeladen war, hatte sie daheim nicht zu Abend gegessen, und binnen kurzem meldete ihr Magen sich zu Wort.
    »Benito?«
    Er hob eine Braue.
    »Was meinst du, könnten wir irgendwo essen gehen?« Der Gedanke gefiel ihr. In ihrem Leben hatte sie nie anderswo gegessen als in den Häusern ihrer Familie und ein paarmal mit Benito am Straßenverkauf. »Ich hatte kein Abendessen. Ich glaube, wenn du nicht mit mir einkehrst, muss ich vor Hunger sterben.«
    Im Gehen musterte er sie. »Dass du so schnell stirbst, kann ich mir nicht vorstellen …«
    Sie legte ihm die Arme um den Hals und kniff ihn in den Nacken. »Ach bitte, Benito! Ich möchte so gern mit dir am Tisch sitzen und Essen bestellen wie ein richtiges Paar. Luise hat neulich mit ihrem Ichsager in dem rosa Restaurant auf dem Zócalo gegessen, und die Kellner haben sie wie eine Dame behandelt und sie süßen Wein probieren lassen …«
    »Dann hättest du

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