Im Land der gefiederten Schlange
eben auch einen Ichsager nehmen müssen«, herrschte er sie an. »Mit mir behandelt dich kein Mensch wie eine Dame, und der Wein, den du hier in den Spelunken bekommst, ist sauer wie Katzenpisse.«
Wenn sie erschrak, so ließ sie es ihn nicht merken. »Spiel dich nicht auf«, sagte sie. »Du hast noch nie Katzenpisse getrunken, und es hört sich albern an, wenn du so sprichst. Ich will mit dir zusammen sein, und ich habe Hunger, ist das zu viel? Ich habe dich schließlich nicht gebeten, mir die Welt zu Füßen zu legen.«
Er ging mit ihr in ein Lokal, das Perro Sucio, Der schmutzige Hund, hieß und zur Straße hin kein Fenster besaß. Es bestand aus einer Theke und fünf Tischen ohne Decken, kein Gast saß dort, und für Licht sorgten ein paar blakende Funzeln. »Du wirst glauben, ich wollte dich vergiften«, knurrte Benito.
Sie küsste ihn, obgleich der Alte hinter der Theke ihnen ungeniert zusah. »Ich finde es himmlisch«, sagte sie, und das entsprach der Wahrheit. Es war dunkel, es roch nach brennendem Harz und scharfen Gewürzen, und es besaß einen Winkel, in den sie sich mit Benito quetschen konnte, ihre Hände unter dem Tisch um die seinen geschlossen, so dass er sich vorbeugen und ihr sein Gesicht ausliefern musste.
Eine Handvoll Worte flogen zwischen ihm und dem Wirt hin und her, dann wollte er aufstehen, blieb jedoch in Katharinas Griff gefangen. Der Alte verschwand in einem Hinterzimmer und kam kurz darauf mit einem Tablett herübergeschlurft. Vor Katharina setzte er eine Schüssel mit Eintopf, und in die Tischmitte stellte er einen Krug und zwei Becher. Bezahlen ließ er sich von Benito sofort, der die Münzen einzeln aus dem Beutel klaubte.
»Isst du nichts?«
Benito schüttelte den Kopf.
Aus der Schüssel vor ihr stieg kein Dampf auf, aber der würzige Duft trieb ihr den Speichel auf die Zunge. In dem Eintopf schwammen Bohnen und Schoten und große Brocken der roten Kartoffeln, die die Sanne nie kaufen durfte. Mutig griff sie zum Löffel. Wie erwartet war das Essen nur lauwarm, aber der Sud war sämig, und jeder Bissen schmeckte ein wenig anders, die Bohnen pelzig und bitter, die Schoten scharf und die Kartoffeln wie Zucker. »Ich glaube, du willst mich doch nicht vergiften«, bekundete Katharina fröhlich. »Also los, du darfst mir auch vom Wein geben.«
»Darf ich nicht. Wenn sie hier wüssten, wie alt du bist, flögen wir beide hochkant hinaus.«
Sie küsste ihn, ehe sie seine Hände freigab. »Dann behandelst du mich besser nicht wie ein Wickelkind, sondern wie deine Liebste, der du galant den Becher füllst.«
Er tat es mit Widerstreben, schenkte den Becher halb voll und schob ihn ihr hin. Der Wein war nicht golden wie bei den Eltern, sondern rot. Dass sie den goldenen daheim nicht trinken durfte, brauchte Benito nicht zu wissen.
»Dir auch«, sagte sie, und als er nichts tat, füllte sie den Becher selbst. »Kannst du bitte nicht so störrisch sein, Benito? Ich will diesen Abend genießen, und wenn du dreinschaust wie ein Waldschrat, verdirbst du ihn mir.«
Er sagte noch immer nichts und machte auch keine Anstalten, den Becher zu nehmen.
»Woran denkst du denn?«, bedrängte sie ihn. »Womit plagst du dich herum?«
»Mit deiner Base Luise«, platzte er heraus. »Mit diesem Damen-Restaurant und dem süßen Wein.«
»Und was zum Teufel ist damit?«
»Damit zum Teufel ist, dass du dort sitzen solltest. Vor einer Speisekarte und umschwänzelt von Kellnern, die alle erpicht sind, deine Wünsche zu erfüllen. Und neben dir sollte ein goldblonder Mann sitzen, der dir zum Namenstag einen Ring schenkt.«
»Wir feiern nicht Namenstag«, fuhr sie ihn an und hätte ihm am liebsten einen Klaps auf den Mund verpasst. »Ich bin das alles leid. Wie oft soll ich dir noch sagen, dass ich den Ichsager nicht will und Luises Ring erst recht nicht und auch keinen blöden süßen Wein?« Wie zum Beweis nahm sie den Becher und schüttete den Inhalt auf einen Zug in sich hinein. Sie musste husten, versprühte einen Hagel von Tropfen und fürchtete zu ersticken. Benito sprang auf und klopfte ihr auf den Rücken, bis sie allmählich wieder zu Atem kam. Als sie erschöpft den Kopf gegen seine Taille lehnte, schloss er einen Arm um sie. »Ich habe es dir doch gesagt. Es ist Gift für dich. Schlimmer als Pulque.«
»Es war meine Schuld.« Ihre Stimme krächzte. »Ich habe ihn zu schnell hinuntergestürzt.«
»Kleinen Kindern soll man eben keinen Wein geben.« Ihre Finger, die ihn kratzen wollten, fing er,
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