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Im Land der gefiederten Schlange

Im Land der gefiederten Schlange

Titel: Im Land der gefiederten Schlange Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: carmen lobato
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Genuss lange ausdehnen. »Ichtaca«, sprach er dabei vor sich hin, »wenn ich nur halb so verdorben wäre, wie ich bin, würde ich dich jetzt nach Hause bringen und nicht wiederkommen, damit du nicht noch mehr Schaden nimmst.«
    Katharina fröstelte. Er sah es, hob den Sarape, der zwischen ihnen auf dem Boden lag, auf und legte ihn um ihre Schultern. Sie spürte den rauhen dichtgewebten Stoff und die Wärme, die von seinem Körper stammte, und fühlte sich so sehr daheim wie niemals zuvor. Sie blickte sich um, sah die niedrigen, vom Staub grauen Häuser und die hohen Kronen der Sumpfzypressen, die sich im Nachtwind wiegten, nahm in der Luft die Fülle der Blütezeit wahr, deren Ende jetzt, im Februar, nahte, und dachte: Das ist meine Stadt. Veracruz. Wie schön der Name klang und wie geheimnisvoll und vielgesichtig die Stadt war. Sie war ein Teil davon. In diesem Jahr, in dem sie Benito gesucht und gefunden hatte, hatte sie sie sich Schritt um Schritt erlaufen, erwittert, ertastet und erstürmt.
    »Ich nehme von dir keinen Schaden, Dummkopf«, sagte sie, schob ihm das Hemd von der Schulter und küsste seine Haut. »Ich werde ganz durch dich. Ich glaube, deshalb habe ich weinen müssen, auch wenn es fürchterlich schwierig ist, das zu erklären. Es fühlt sich an, als würde bei allem, was ich tue, nur eine Hälfte von mir leben. Das war schon immer so. Ob bei den Eltern, in Doktor Messerschmidts komischem Unterricht oder bei den Vettern und Basen, ich bin nur zur Hälfte da, und die andere Hälfte kennt kein Mensch, nicht einmal ich. Wenn ich mit dir zusammen bin, bricht die andere Hälfte aus mir heraus, und ich glaube, deswegen weint sie – weil sie ewig eingesperrt war und sich verstecken musste und weil sie mir so fremd ist.«
    Angst packte sie, er werde über sie lachen, aber als er es tat, war sein Lachen silbern vor Zärtlichkeit. »Die eine Hälfte von dir bringe ich jetzt nach Hause«, flüsterte er an ihrem Ohr. »Es sei denn, du möchtest, dass deine Mutter bei Georgia Temperley vorspricht und die Herausgabe ihrer Tochter verlangt. Die andere Hälfte, die, die weint, behalte ich hier. Bei mir.«
    Sie schmiegte sich an ihn, und er hielt sie im Arm. So gingen sie langsam durch die belebten Straßen zurück, versunken, als wären sie allein. Nach einer Weile fragte Katharina: »Du glaubst mir, nicht wahr? Du weißt, dass es so ist, wie ich gesagt habe, auch wenn es noch so verdreht klingt?«
    »Ja«, antwortete er. »Aber es wäre mir lieber, ich würde es nicht glauben. Diese andere Hälfte von dir bleibt womöglich besser versteckt und stirbt irgendwann ab. Wenn du sie leben lässt, wird sie dir weh tun, Ichtaca.«
    »Und warum? Ist das die Rache der gefiederten Schlange?«
    »Ja, vielleicht.«
    »Aber wofür rächt sich denn der Schlangengott, wer hat ihm etwas getan?«
    Er sandte ihr einen funkelnden Blick, und sie war nicht ganz sicher, wie viel daran Scherz und wie viel Ernst war. »Eine schöne Frau hat ihm mit Alkohol das Hirn vernebelt und ihn verführt.«
    »Und das fand er so schlimm, dass er finstere Rache schwor? Weißt du, was ich denke? Dein Schlangengott ist mächtig kleinlich.«
    In seinem Mundwinkel verbarg sich ein Schmunzeln. »Quetzalcoatl«, sagte er.
    »Wie bitte?«
    »Wenn er dich schon so fesselt – er heißt nicht dein Schlangengott, sondern Quetzalcoatl. Und es wird behauptet, er habe den Menschen nicht nur sein Blut, sondern auch den Pulque geschenkt, damit sie tanzen.«
    Quetzalcoatl
 – das klang wie eines der Worte, die er sich ausgedacht hatte, als sie Kinder waren. Sie fand es schön. Sie würde üben, es nachzusprechen. Sie hatten den Saum der Siedlung beinahe erreicht, einen mehr als mannshohen Strauch mit leuchtend orangeroten Blüten, der einst die Grenze ihrer Welt markiert hatte. Hier hinterlegten sie einander Botschaften, um Treffen zu vereinbaren, und für gewöhnlich trennten sie sich hier, aber heute zog sie ihn in den Schutz des Strauchs zurück. In der Nacht war der Duft der Blüten betörend. Sie würden bald welken, doch zuvor vergeudeten sie noch einmal jeden Funken ihrer Kraft. Katharina küsste Benito auf Augen und Lippen und wünschte sich, ihre Küsse würden dort liegen bleiben und ihn die Nacht hindurch liebkosen. »Egal, wie er heißt, dieser Gott«, flüsterte sie, »kleinlich ist er doch.«
    »Das kannst du gar nicht beurteilen, Señorita Sabelotoda. Diese Geschichte hat nämlich auch zwei Hälften.« Er küsste sie. »So wie du.«
    »Ich hab dich

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