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Im Land der Mond-Orchidee

Im Land der Mond-Orchidee

Titel: Im Land der Mond-Orchidee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Witt de
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wenn sie es
ernst meinten, war es ihnen inzwischen zu wenig, dass ihnen nur eine Handvoll
von all dem Reichtum zugestanden wurde, den die Fremden in die Frachträume
ihrer Schiffe schaufelten. Sie sagten sich mit Recht, dass sie das, wofür sie
arbeiteten, auch selbst genießen wollten, anstatt die bleichen, hochmütigen
Fremden damit zu mästen.
    Â»Ich fürchte«, sagte Lennert, »die Kolonialherren haben die Zeit
verpasst, in der es noch möglich gewesen wäre einzulenken. Die Javaner sind ein
sanftmütiges Volk, aber sie haben einfach zu viel ertragen müssen, und die
Mullahs, die aus dem Ausland kommen, hetzen sie auf. Ameya sagt, es brodelt
unter den Leuten viel stärker, als die Holländer oder auch ein Mann wie Dr. Bessemer begreifen. Er ist nicht glücklich darüber, und ich kann seine Skepsis
gegenüber allen Freiheitskriegen verstehen, wenn man bedenkt, dass der letzte
zweihunderttausend Javaner das Leben gekostet hat.«
    Neele schwieg. Sie steckte das Buch ein und folgte ihm ins Haus, wo
das Abendessen serviert war – ein kaltes Abendessen, um die Sonntagsruhe nicht
durch die übliche große Kocherei zu stören. Während sie Hühnerfleisch mit
Salzgemüse aß und in kleinen Schlucken das hausgebraute Bier trank, von dem die
Schwestern Herrn Kröger ein Fass abgekauft hatten, waren ihre Gedanken bei den
Gräueln, die Eduard Dekker beschrieben hatte. Wie hatten die unglücklichen
Einwohner der Insel diese Unmenschlichkeit so lange ertragen können? Sie waren
nicht nur ausgeplündert, sondern auch misshandelt, ja, viele waren ermordet
worden. Kein Wunder, dass der Hass gegen die Weißen immer größer wurde.
    Der Gedanke daran machte ihr Angst. Sie
hatte niemand etwas zuleide getan, und doch war sie eine der verhassten
Fremden. Wie konnte Ameya sie überhaupt lieben? Der Gedanke bedrückte sie
derart, dass ihr das Essen kaum schmecken wollte.

Der Jaguar
    1
    A ls im April die
nicht enden wollenden Regengüsse allmählich aufhörten und die Sonne wieder
hervorkam, fand in dem Dorf auf dem Bergrücken erneut ein Fest statt. Es war
nicht so großartig wie das Hochzeitsfest, bei dem die jungen Deutschen zum
ersten Mal ein Wayang-Gulik gesehen und ein Gamelan-Orchester gehört hatten,
aber immerhin wurde ein junger Büffel gebraten, auf steinernen Herden wurden
Reisgerichte aller Art gekocht, und an die Gäste wurde kostenloser Reiswein
ausgeschenkt. Dr. Bessemer und Ameya luden ihre Bekannten ein, sie zu dem Fest
zu begleiten, eine Einladung, die gerne angenommen wurde.
    Sie wählten einen Platz an einem Holztisch, an dem zwei gefällte
Baumstämme als Sitzbänke dienten, und ließen sich das Essen schmecken. Zum
Nachtisch holten sie sich Bananen und halbierte Kokosnüsse von einem Karren,
der im Schatten der Banyanbäume stand.
    Ameya hob eine Kokosnuss an den Mund und wollte eben die Milch
trinken, als er plötzlich den Atem anhielt und sich nach vorne krümmte. Neele
dachte, er sei gestolpert, und wollte ihm die Hand reichen, da drehte er sich
langsam zur Seite und fiel zu Boden. Seine Augen waren groß und erstaunt.
Blutstropfen drangen auf seine Lippen, und als er niederfiel, sahen sie, dass
in seiner Schulter ein Pfeil steckte. Hätte er nicht den Arm gehoben, um die
Kokosnuss an den Mund zu führen, so hätte der Pfeil zweifellos sein Herz
getroffen!
    Die beiden Frauen und die Umstehenden schrien auf, aber Lennert wies
sie an, zur Seite zu treten und umgehend einen Karren
herbeizuschaffen, während er neben dem Verletzten niederkniete. Ameya war bei
Bewusstsein, er lag reglos da, kein Laut der Klage kam über seine Lippen, aber
sein Gesicht war bläulich blass und schweißbedeckt. Der bunte Pfeil musste tief
in seinen Körper eingedrungen sein.
    Eine der alten Frauen kam mit einem Becher Reisschnaps herbei, mit
dem sie ihm die Handgelenke und die Stirn rieb, um das Leben in ihm anzufachen.
Währenddessen hatten andere einen Büffelkarren herbeigeschafft,
und mit großer Vorsicht hoben sie den Verletzten auf den Karren und führten den
Büffel behutsam, damit es nicht zu stark holperte, zurück zum Waisenhaus. Paula
lief voran, um die Schwestern zu informieren, während Neele dicht neben dem
Karren ging und dem Geliebten an Trost zuflüsterte, was ihr nur einfallen
mochte. Sie war zutiefst betroffen. Der Erste, an den sie bei der Frage nach
dem Täter

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