Im Land der Mond-Orchidee
glücklich sein würde.«
»Ich auch nicht«, gestand er. »Ich hätte hin und wieder heiraten
können, denn ein Mann in guter Position und mit gutem Gehalt ist bei den
alleinstehenden Damen auch dann gefragt, wenn er nicht schön wie ein junger
Gott ist. Aber alle diese Frauen waren dumm und desinteressiert. Für sie zählte
nur, was im Gesellschaftsteil der Zeitungen stand und ob Mevrouw Sowieso ein
neues Kleid und Mijnheer Sowieso eine neue Liebschaft hatte. Du warst die
Erste, mit der ich auch über andere Dinge sprechen konnte.«
Er stand auf und zog sie an der Hand mit sich hoch. »Ich glaube, die Sitte
verlangt, dass ich es deinem Bruder mitteile, findest du nicht?«
»Er wird sich auf jeden Fall freuen, wer immer es ihm mitteilen wird.«
Sie erhoben sich und stiegen die Marmortreppe hinauf. Oben öffnete
ihnen ein Diener die Tür, und sie traten ein. Lennert und Ameya saÃen in der
barocken Sitzgarnitur. Beide blickten auf, als das Paar eintrat, und beide
erkannten sofort, was geschehen war. Lennerts Gesicht verzog sich zu einem
breiten Lächeln. »Sag es mir nicht!«, rief er. »Ich
will es selbst erraten.«
»Das ist nun aber wirklich nicht schwer zu erraten.«
Dr. Bessemer lächelte. »Ja, ich möchte gerne aus Fräulein Anderlies Frau
Bessemer machen, und sie ist damit einverstanden, also können wir uns an die
Hochzeitsvorbereitungen machen.«
2
N eele, die gleich
nach der Rückkehr der Geschwister informiert wurde, nahm die Nachricht von der
Verlobung ihrer Freundin mit gemischten Gefühlen auf. Sie brauchte keine langen
Erklärungen, was das bedeutete. Mit ihrer Heirat würde Paula in ganz andere
gesellschaftliche Kreise eintreten. Sie mochten dann immer noch Freundinnen
sein, aber es bestand doch eine Kluft zwischen ihnen â und waren sie wirklich
Freundinnen fürs Leben gewesen oder nur zwei junge Frauen, die sich in einer
schwierigen Situation einander verbunden fühlten? In Norderbrake hatten sie
sich gut miteinander verstanden, weil die Auswahl an interessanten Menschen in
dem Dorf sehr gering war, und auf der Reise hatten sie wohl oder übel zusammenhalten
müssen. Aber Neele ahnte, dass sich ihre Beziehung lockern würde, wenn Paula
erst einmal Frau Amtmann Bessemer war und in einer ganz anderen sozialen
Schicht lebte. Und was würde dann aus ihr werden? Gab es dann noch irgendeinen
Menschen, dem sie wirklich vertrauen konnte? Konnte sie wirklich das Risiko
eingehen, ihr ganzes Vertrauen in Ameya zu setzen?
Am Morgen, nachdem Dr. Bessemer Paula seinen Heiratsantrag gemacht
hatte, saÃen die drei im Garten, als Lennert plötzlich aufstand und, die Hände
hinter dem Rücken verschränkt, auf die beiden Frauen hinunterblickte. »Es gibt
etwas, das ich euch sagen möchte«, erklärte er. »Ich habe lange hin und her
überlegt, ob es eine gute Entscheidung ist, aber in die Zukunft sehen kann ich
sowieso nicht, und mein Gefühl sagt mir, dass es richtig ist, da du, Paula,
jetzt in eine gesicherte Zukunft blickst. Ich möchte hier nicht bleiben.«
Paula blickte erstaunt auf. »Und wohin möchtest du gehen?«
»Nach Australien. Zu den Goldgräbern. Nein, ich selber will nicht
nach Gold graben, aber ich denke, man wird dort einen Arzt brauchen können.«
»Das zweifellos«, stimmte Paula sarkastisch zu. »Bei all den
Schlägereien!«
Lennert ging nicht darauf ein, sondern sagte: »Ich will nur noch
deine Hochzeit abwarten, Paula, und die Geburt deines Kindes, Neele, dann nehme
ich den nächsten Dampfer nach Brisbane.«
»Was treibt dich jetzt von hier weg?«,
fragte Neele.
Er zuckte die Achseln. »Ich weià nicht genau. Das Land ist sehr
schön, aber ich vertrage das Klima nicht, die ständige Schwüle macht mich
krank, und ich finde keinen Zugang zu den Leuten hier, weder den Einheimischen
noch den Europäern. Man gehört hier weder zu den einen noch zu den anderen und
wird von beiden Seiten scheel angeschaut.«
Das könnte Ameya auch sagen, dachte Neele, aber sie wollte Lennert
nicht vom Thema ablenken. Schweigend hörte sie zu, wie er ihnen seine Zweifel
und Sorgen darlegte. Vor allem ärgerten ihn die Europäer, die sich im Land
angesiedelt hatten und von denen er eine geringe Meinung hatte. Es mochte ja
einige solche wie Dr. Bessemer oder auch den deutschen Konsul geben, aber im
GroÃen und Ganzen fand
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