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Im Land der Mond-Orchidee

Im Land der Mond-Orchidee

Titel: Im Land der Mond-Orchidee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Witt de
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nickte.

2
    A ls die beiden
jungen Leute am nächsten Morgen in dem prunkvollen Büro vorsprachen, unterhielt
sich der deutsche Konsul erst mit ihnen beiden, dann bat er Neele zu einem
Gespräch unter vier Augen.
    Aufrichtiges Mitgefühl schwang in seiner Stimme mit, als er sagte:
»Frau Selmaker, sind Sie auch wirklich sicher, dass Sie das Richtige tun?
Natürlich kann ich Ihnen die Scheidungspapiere ausstellen, da es Zeugen dafür
gibt, dass Ihr Mann Sie so rücksichtslos verlassen hat, und ich kann kraft
meines Amtes auch eine Ziviltrauung mit Herrn Ameya vornehmen. Aber wollen Sie
das wirklich? Sie lassen sich auf ein großes Risiko ein.«
    Neele blickte ihm in die Augen. »Das weiß ich. Aber ich vertraue
darauf, in Ameya einen zuverlässigen und liebevollen Gatten zu finden.«
    Â»Das bezweifle ich nicht!«, versicherte er
ihr hastig. »Ich kenne ihn und weiß, was für ein Mensch er ist. Ich denke eher
an die Gesellschaft, in der Sie beide leben. Weder die deutsche Gemeinschaft
noch seine Familie wird Ihre Ehe jemals akzeptieren.«
    Â»Das wissen wir beide. Deshalb haben wir auch beschlossen, Java zu
verlassen und nach Australien zu gehen. Dort sind die gesellschaftlichen
Verhältnisse ganz anders, und wir sind beide Fremde in einem von Einwanderern
aus aller Welt bewohnten Land.«
    Er zog die buschigen Augenbrauen hoch. »Australien? Dorthin wollte
doch auch Dr. Anderlies, nicht wahr? Ich hoffe, Sie beide wollen nicht
ebenfalls Ihr Glück als Goldgräber versuchen? Aber nein«, korrigierte er sich
dann selber, »dazu sind Sie gewiss zu vernünftig. Aber wovon, wenn ich fragen
darf, wollen Sie leben? Sie selbst sind vermutlich mit der Arbeit in Haus und
Hof vertraut, aber Herr Ameya ist der Sohn einer reichen Familie und daran
gewöhnt, eine hohe Stellung innezuhaben.«
    Neele antwortete, dass ihre Familie zugesagt habe, sie zu
unterstützen, bis sie Boden unter den Füßen gefunden hatte, und dass Ameyas
Familie ebenfalls zusehen würde, dass der Sohn auch in einem fernen Land standesgemäß
leben konnte. Sie wunderte sich über sich selber, dass es ihr plötzlich so
leicht fiel, in eine unbekannte Zukunft zu reisen. Geld genug, um versorgt zu
sein, würden sie haben, aber sie kannte weder Australien, noch hatte sie irgendeine
Vorstellung, wie ihre Zukunft dort aussehen würde. Wie hatte sie gejammert und
sich geängstigt, als sie nach Java aufgebrochen war, und dabei hatte sie damals
gemeint, sie würde dort ein Leben vorfinden, das sich kaum von dem in
Norderbrake gewohnten unterschied! Und sie wusste, es lag nicht nur daran, dass
Ameya an ihrer Seite sein würde. Auch sie selbst hatte sich verändert. Sie war
standhafter und selbstsicherer geworden.
    Der Konsul musterte sie nachdenklich. Dann sagte er plötzlich: »Wie
sonderbar, dass Sie so gar nichts von Ihrem Vater haben – kein Fleckchen Braun
auf Ihrer weißen Haut, kein schwarzes Haar in Ihrem goldenen!«
    Neele wusste nicht recht, ob das als eine simple Feststellung oder
als Beleidigung ihres Vaters gemeint war. Vermutlich wollte der Konsul sagen,
sie könne froh sein, dass sie ihm nicht ähnlich sehe. Nun, in Norderbrake war
das zweifellos der Fall gewesen! Aber hier wünschte sie manchmal, sie könnte
zumindest, wie Paula, eine rasch bräunende Haut und dunkelbraunes Haar haben,
um nicht gar so hervorzustechen. Aber das waren kindische Wünsche, und so
antwortete sie auf die Bemerkung des Konsuls nur mit einem Achselzucken und der
Frage, bis wann die Papiere fertig sein könnten.
    Â»Eine Woche müssen Sie sich noch gedulden. Und ich würde Ihnen raten,
dass Sie nach der Hochzeit möglichst bald abreisen, denn einen Skandal wird es
auf jeden Fall geben, sowohl unter den Deutschen wie unter den Holländern, und
es wird besser sein, wenn Sie Java dann bereits den Rücken gekehrt haben.«
    Neele nickte. Sie brauchte nur daran zu denken, wie gehässig Richard
Hagedorn sich ihr gegenüber verhalten hatte. An Jürgen wollte sie gar nicht
denken. Sie musste ihm unbedingt aus dem Weg gehen, bis sie und Ameya in
Sicherheit waren.

3
    Z wei Tage nach
ihrem Besuch beim Konsul war Neele eben beim Wäschewaschen, als ein Reiter vor
dem Tor des Waisenhauses anhielt und ihr einen von Ameya unterzeichneten Brief
brachte. Sein Inhalt war kurz. »Bitte komm auf der Stelle zu den Schwestern
Gajarajas, zögere nicht. Es ist

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