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Im Land der Mond-Orchidee

Im Land der Mond-Orchidee

Titel: Im Land der Mond-Orchidee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Witt de
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Tanten wollte Neele durchaus auch mitteilen, dass sie geheiratet
hatte – und zwar einen Einheimischen, was ihnen sicher gefallen würde –, aber
sie zögerte noch, das Haus mit der Apotheke aufzusuchen. Zu schmerzhaft war die
Erinnerung an ihren letzten Besuch. Es würde ihr schwerfallen, mit den beiden
Frauen zu sprechen, die so viel verloren hatten und denen noch das traurige
Ereignis eines Prozesses gegen ihre Ziehtochter bevorstand.
    Der Konsul erwartete sie bereits. Sie wurden gebeten, vor seinem
Schreibtisch Platz zu nehmen, die Papiere noch einmal zu prüfen, und dann rief
er zwei seiner Angestellten als Zeugen herein und forderte das junge Paar auf,
das Eheversprechen in aller Form abzulegen. Sie lasen von dem amtlichen Papier,
das er ihnen vorlegte, das Versprechen ab, als Mann und Frau zu leben, einander
in guten und schlechten Tagen zu ehren und einander beizustehen, bis der Tod
sie scheide. Ameya hielt die ganze Zeit, während er das Heiratsversprechen
aufsagte, beide Hände auf seinem auf dem Schreibtisch liegenden Kris. Dann
tauschten beide die Ringe.
    Der Blick des hohen Beamten hing an der glitzernden Waffe. Plötzlich
sagte er: »Ich hörte vom Polizeikommandanten, Sie hätten die Frau, die als
Mörderin der kleinen Bethari gilt, mit Ihrer Waffe verflucht?«
    Ameya nickte. »Sie war schuldig, und sie hat die Strafe verdient.
Ist sie schon tot?«
    Eine leichte Röte stieg in das weißbärtige Gesicht des Konsuls. »Sie
starb drei Tage nach ihrer Verhaftung an einem Herzschlag. Wollen Sie
tatsächlich sagen, Sie hätten das bewirkt?«
    Â»Ich selber nicht«, erwiderte der Wedono. »Mein Kris hat es getan.
Er kann auf magische so gut wie auf physische Weise töten.«
Mit einer ehrfurchtsvollen Bewegung hob er die Waffe auf und steckte sie in die
Scheide zurück. »Er brauchte mich gar nicht dazu. Er kann aus eigenem Willen
ein Opfer auswählen und vernichten, wenn es den Tod verdient hat.«
    Ein beklommenes Schweigen breitete sich über den Raum. Neele spürte,
wie ihr ein Frösteln über den Rücken lief, obwohl sie nicht an eine magische
Kraft der unheimlichen Waffe glaubte. Es erschien ihr viel wahrscheinlicher,
dass Nuri unter der Last einer Mordanklage zusammengebrochen und aus Furcht vor
der drohenden Strafe einem Herzschlag erlegen war.
    Der Konsul unterbrach die peinliche Stille schließlich mit der
forschen Bemerkung: »Nun, jetzt sind Sie verheiratet. Und Sie erinnern sich an
meinen Rat, das Land bald zu verlassen?«
    Â»Unser Schiff nach Brisbane geht in drei Tagen«, erwiderte Ameya.
»Diese drei Tage werden wir auch noch überstehen.«
    Dr. Bessemer lächelte ihn verschmitzt an und verfiel unversehens in
ein vertrautes Duzen: »Ich glaube, ihr werdet sie sehr gut überstehen, denn ich
habe ein kleines Hochzeitsgeschenk für euch beide. Da ihr schon kein großes
Hochzeitsfest haben könnt, sollt ihr eure Ehe wenigstens mit drei schönen Tagen
beginnen. Ich habe mit einem Freund gesprochen, der einige Meilen von hier ein Jagdhaus besitzt. Er stellt es euch bis zu eurer Abreise
zur Verfügung.«
    Neele, die sich insgeheim davor gefürchtet hatte, mit der Last ihres
Geheimnisses in die deutsche Siedlung zurückkehren zu müssen, schlug vor Freude
die Hände zusammen, und auch Ameya dankte von ganzem Herzen.
    Â»Dann kommt!«, sagte Dr. Bessemer. »Wir
müssen uns beeilen, damit wir das Haus erreichen, ehe die Mittagshitze uns das
Reiten sauer macht.«
    Sie verabschiedeten sich mit herzlichem Dank von dem Konsul, der
ihnen alles Gute wünschte, wobei er einen leisen Unterton des Zweifels nicht
unterdrücken konnte. Dann folgten sie Dr. Bessemer zu dem Mietstall, wo sein
Diener bereits drei Pferde bereithielt.
    Sie ritten gemächlich bis an den Rand des Waterlooplein und folgten
von dort einem schmalen Fahrweg nach Nordosten, in die entgegengesetzte
Richtung, in der das deutsche Dorf lag. Bald rückten Büsche und Bäume von
beiden Seiten immer näher an den Weg heran, bis die kräftigen Hinterteile der
Pferde bei jedem Schritt das Grün beiseitestreiften. Die mächtigen Schirme der
Palmwedel hielten die Morgensonne von ihnen ab, sodass sie in einem sanften
grünlichen Dämmerlicht dahinritten. Sie entfernten sich von der Stadt und drangen
immer tiefer in den Dschungel ein, der sie heiß und dampfend umgab. Einmal
hielt

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