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Im Land der Mond-Orchidee

Im Land der Mond-Orchidee

Titel: Im Land der Mond-Orchidee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Witt de
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Dr. Bessemer sein Pferd an, weil ein Tier, das einem großen braunen
Schwein mit ungewöhnlich langer Schnauze ähnelte, gemächlich den Weg kreuzte –
ein Tapir. Die Luft um sie herum summte von Insekten, und immer wieder
flatterte Neele ein Schmetterling ins Gesicht. Sie dachte daran, wie sie sich
vor dem Gecko gefürchtet hatte, der an ihrem ersten Morgen in Java die Wand
neben ihrem Bett hinaufgeflitzt war. Inzwischen wäre es ihr gleichgültig
gewesen, wenn ein Gecko den ganzen Weg über auf ihrer Schulter gesessen hätte.
    Zwei Stunden waren sie so unterwegs. Dann erreichten sie eine
Lichtung, in deren Mitte zwei hohe, schmale Häuser auf Stelzen nebeneinander
standen, ein größeres und ein kleineres, beide mit den charakteristischen steilen
Dächern und überhängenden Giebeln. Die Sonne glitzerte auf den dürren
Palmblättern, mit denen sie gedeckt waren. Rauch drang aus dem Schornstein des
kleineren Hauses und trug den Geruch gebratenen Fleisches und kräftiger Gewürze
mit sich.
    Man hatte ihre Ankunft bemerkt, denn eine stämmige junge Frau in
bäuerlicher Tracht kam heraus, verbeugte sich mit gefalteten Händen und ging
ihnen voraus zum Haupthaus. Dort stellten sie ihre Pferde im Schatten unter.
Heu und Wasser waren vorsorglich bereitgestellt worden.
    Die Bäuerin führte sie in das kleine Haus, das die Küche und die
Wirtschaftsräume enthielt, und zeigte ihnen den Waschraum, in dem sie den Staub
und Schweiß des zweistündigen Ritts abwaschen konnten. Erfrischt folgten sie
ihr hinüber ins Haupthaus, wo im Esszimmer bereits der große Teakholztisch gedeckt
war. Auf einen Befehl von Dr. Bessemer hin eilte die Frau davon und kam gleich
darauf mit einem Eimer wieder, in dem in eiskaltem Brunnenwasser eine Flasche
Champagner stand.
    Â»So, ihr Lieben«, sagte Dr. Bessemer, während er mit lautem Knall
den Pfropfen löste, »lasst euch gratulieren, und trinken wir auf eine
glückliche Ehe!« Mit diesen Worten füllte er die drei
schlanken Gläser, die auf dem Tisch bereitstanden, und hob das seine. Sie taten
es ihm nach.
    Die beiden Männer tranken ihre Gläser in einem Zug aus, aber Neele,
die vor lauter Aufregung kein Frühstück gegessen hatte, nippte nur vorsichtig
an dem Schaumwein und beschloss, den Rest des Glases erst auszutrinken, wenn
sie etwas im Magen hatte. Da kam die Bäuerin auch schon mit einem Servierwagen,
auf dem ein buntes Allerlei von Speisen aufgebaut war: Nudelsuppe, gebratenes
Büffelfleisch, Huhn und Fisch, Reis mit Gemüse und Reis mit Rosinen,
eingelegter saurer Salat sowie Obst, Kuchen und gebackene Bananen.
    Neele, die ihren Hunger jetzt sehr spürte, griff wacker zu. Offenbar
hatte auch Ameya an diesem Morgen vor Aufregung nicht viel hinuntergebracht,
denn er war kaum sattzukriegen, und Dr. Bessemer legte wie immer einen
kräftigen Appetit an den Tag. Von dem reichlichen Mittagessen war nicht mehr allzu
viel übrig, als sie sich schließlich gesättigt zurücklehnten und Kaffee und
Arrak auf den Tisch gebracht wurden. Eine Weile saßen sie beisammen und
plauderten träge über dies und jenes, bis der Kontrolleur aufstand und ihnen
zuzwinkerte. »Ihr habt noch etwas zu erledigen, bis ihr von Rechts wegen verheiratet
seid, das wisst ihr ja? Papiere allein gelten nicht. Also, darf ich euch in
euer Hochzeitsgemach geleiten?«
    Sie erhoben sich errötend und folgten ihm eine Treppe hinauf in den
Oberstock des Hauses, wo unmittelbar unter den Dachsparren ein hübsches
Schlafzimmer eingerichtet war. Bunte Teppiche bedeckten den Boden, lebhaft
gemusterte Batikdecken das Doppelbett, über dem ein Moskitonetz hing. Eine
schmale Tür mit einem Vorhang aus Holzperlen führte in ein Badezimmer. Ein
Holzgitter verschloss das Fenster, durch das der Widerschein der Mittagssonne
hereinfiel.
    Â»Lasst euch Zeit«, sagte der Kontrolleur. »Ich werde ein ausgiebiges
Schläfchen machen und dann ein wenig lesen – mein Freund hat eine hübsche
kleine Bibliothek. Es genügt also, wenn ihr zum Abendessen wieder herunterkommt.« Mit einem Lächeln und einem Kopfnicken ließ er sie beide
allein.
    Die beiden jungen Leute sahen einander mit scheuen Blicken an. Beide
brannten darauf, ihre Verbindung zu vollenden, aber sie waren unsicher, und so
zögerten sie, bis Neele sich ermannte, den bunten Vorhang vor das einzige
Fenster zog und sagte:

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