Im Land der Mond-Orchidee
»Dann werde ich mich einmal waschen ⦠Oder möchtest du
als Erster?«
»Nein, geh nur.« Ameya zündete sich eine
Zigarette an und setzte sich auf den Bettrand.
Neele ging hinüber ins Badezimmer, kleidete sich aus und übergoss
sich mit ein paar Schöpflöffeln von dem lauwarmen Wasser in dem Eimer. Sie
hatte kein Nachtgewand bei sich, also wickelte sie sich in eines der Badetücher
und kehrte so zu ihrem Gatten zurück. Während Ameya im Badezimmer verschwand,
schlüpfte sie ins Bett und warf das Badetuch ab. Ihr ganzer Körper brannte vor
Erwartung. Nie hatte sie sich vorgestellt, dass eine solche Leidenschaft sie
erfüllen könnte. Die wenigen Minuten, die der Bräutigam brauchte, um sich
ebenfalls auszukleiden und zu waschen, wurden ihr lang. Als er schlieÃlich
zurückkam, schloss sie lächelnd die Augen und streckte die Hand aus.
Sie fühlte, wie seine Hand die ihre ergriff, wie er neben ihr unter
das farbige Laken schlüpfte, und als er sich an sie schmiegte, spürte sie die
Erregung in seinem Körper. Keiner von beiden sprach ein Wort, sie seufzte nur
entzückt, als er sanft und zugleich kraftvoll in sie eindrang. Was für ein
Unterschied zu ihrer ersten Hochzeitsnacht! Kein Schmerz, kein Widerwillen, nur
ein ekstatisches GenieÃen, das noch anhielt, als er sich erschöpft zurückzog.
Sie schlang die Arme um seine Schultern und drückte ihn eng an sich, presste
die weichen Lippen auf seinen Hals.
»Ich liebe dich«, flüsterte sie. Er antwortete ihr mit einem innigen
Kuss.
Eine Weile lagen beide schweigend nebeneinander, lieÃen die eben
genossene Leidenschaft in sich nachklingen, während sie den fernen Geräuschen
des Dschungels lauschten â dem Geschrei eines Vogels, dem Keckern der Affen in
den schwankenden Baumkronen. Ein sanfter Wind blies von drauÃen herein und
bewegte den Vorhang, dessen Muster den Raum mit einem buntfleckigen Zwielicht
erfüllte. Dann wandte Ameya sich seiner Frau zu, und sie küssten einander von
Neuem, bis ihre Leidenschaft wieder erwachte.
Die Zeit wurde ihnen kurz bis zum Abendessen. Nur der Gedanke daran,
wie viele gemeinsame Nächte noch vor ihnen lagen, bewog sie schlieÃlich,
aufzustehen, sich zu waschen und anzukleiden. DrauÃen war die kurze Dämmerung
hereingebrochen. Lärmend suchten die Bewohner des Dschungels ihre
Nachtquartiere in den hohen Ãsten, im Gebüsch und unter der Erde auf, während
die ersten Nachtinsekten durch das Zwielicht taumelten. Hand in Hand stieg das
junge Ehepaar die Treppe hinunter zum Esszimmer, wo Dr. Bessemer sie erwartete.
Er lächelte sie an, sagte aber kein Wort, sondern ging ins Nebenhaus
hinüber, um zu melden, dass das Abendessen serviert werden konnte. Wenig später
erschien die Haushälterin mit ihrem Servierwagen, auf dem eine kaum weniger
üppige Mahlzeit als am Mittag angerichtet war. Neele hatte gedacht, sie würde
nach all der sinnlichen Erregung des Nachmittags keinen Gefallen an den weniger
sensationellen Freuden des Leibes finden, aber der Geruch der frisch gebackenen
Garnelen, der heiÃen Reiskuchen und der vielerlei Würzbissen überzeugte sie
doch, und sie griff kräftig zu. Während sie aÃen, teilte ihnen Dr. Bessemer
mit, dass er bereits veranlasst hatte, Neeles wenige Besitztümer aus dem
Waisenhaus holen zu lassen.
»Und Sie, Ameya?«, fragte er. »Wollen Sie
sich noch formell von Ihrer Familie verabschieden, oder wollen Sie einen meiner
Diener um Ihre Sachen schicken?«
Ameya hielt im Essen inne und presste die Mundwinkel zusammen. »Ich
habe mich bereits von meiner Familie verabschiedet«, sagte er, »und habe kein
Bedürfnis danach, sie noch einmal wiederzusehen. Sie haben mich zu deutlich
wissen lassen, wie froh sie sind, mich loszuwerden. Nicht, dass ich es nicht
erwartet hätte! Sie haben mir nicht zum ersten Mal gesagt, dass sie mich am
liebsten weit weg sehen würden. Die Apanage, die sie mir zugesagt haben, ist
der Kaufpreis dafür, dass ich nicht wiederkomme. Mein Geld liegt in Batavia auf
der Bank, ich werde es mir vor der Abreise holen und mich mit allem eindecken,
was ich brauche. Unser Schiff geht am Mittag, ich habe also den ganzen Morgen
Zeit.«
Dr. Bessemer nickte nur kommentarlos. Wie Ameyas Familie auf die
Ankündigung seiner Heirat und Abreise reagieren würde, war vorauszusehen
gewesen. Auch Neele hatte nichts anderes
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