Im Land der Mond-Orchidee
ihnen Rauch aufstieg.
Dr. Bessemer zügelte sein Pferd. »Das ist kein Herdrauch«, stieà er
mit gepresster Stimme hervor. »Das ist der Rauch eines Brandes. Was ist da
geschehen?«
Lennert erschrak, als er die Worte seines Begleiters hörte. Beide
zugleich trieben sie ihre Pferde an und beeilten sich, den hangabwärts
führenden Weg zu der Lichtung zurückzulegen. Je näher sie kamen, desto
beiÃender wurde der Geruch von verkohlendem Gebälk und verbrannten
Palmblättern. Als sie unter dem dunklen Torbogen der letzten Bäume in den
grellen Sonnenschein der Lichtung hinausritten, stockte ihnen beiden das Herz
im Leibe.
Das Jagdhaus war bis auf die Grundmauern niedergebrannt. Seine
Trümmer lagen im rauchenden Gras und mitten zwischen ihnen die angekohlte
Leiche eines Mannes.
Lennert sprang vom Pferd und rannte hin. Er fand den Toten in ein
seltsames Kleidungsstück gehüllt: einen bodenlangen, leichten grauen Mantel mit
Kapuze. Und noch seltsamer war, dass ein Stofffetzen wie eine Maske sein
Gesicht bedeckte. Der Arzt zog den angebrannten Fetzen beiseite und blickte in
ein kaum zerstörtes Gesicht, das er nur zu gut kannte.
»Das ist Jürgen Simms!«, rief er dem
Amtmann zu, der keuchend herbeieilte. »Und er ist nicht bei dem Brand
gestorben, er wurde erstochen â mit einem Kris. Sehen Sie, hier! Nur ein
javanischer Dolch würde eine solche schmale und dabei unregelmäÃige Wunde
erzeugen. Und nur ein javanischer Krieger kann ihn so führen, dass er mit einem
einzigen Stoà die Halsschlagader durchschneidet. Soweit ich sehen kann, hat der
Mann keine weiteren Verletzungen.«
Bessemer und Anderlies sahen einander an, und beiden ging derselbe
Gedanke durch den Kopf. Ameya musste das getan haben. Aber wo war er? Und wo
waren Neele und die einheimische Haushälterin?
Lennert drehte den Toten auf den Rücken, und als er ihn besah, stieÃ
er einen Pfiff aus. »Sehen Sie sich das an, Dr. Bessemer! Seine Hose ist bis
auf die Schenkel heruntergerutscht. Das könnte passiert sein, als er zum Haus
geschleift wurde. Aber warum sind seine Hosenknöpfe alle offen? Der Bursche
hatte mehr vor, als sich zu erleichtern, glauben Sie mir! Ich weiÃ, wie
verrückt er nach Neele war! Wenn er sie hier allein angetroffen hat â¦Â« Er
lieà den Satz unvollendet.
Sie suchten die Lichtung im hellen Licht der Mittagssonne ab und
fanden bald die Stelle am Waldrand, wo der unglückliche Deutsche den Tod
gefunden hatte. Der Boden dort war mit Blut durchtränkt, Jürgen musste all sein
Blut an dieser Stelle verloren haben. Es war aber auch noch ein zweiter
Blutfleck da, ein paar Schritte entfernt an den Wurzeln eines Banyanbaumes.
»Hier ist noch jemand getötet worden«, flüsterte Lennert. »Und ich
fürchte, es war Ameya. Sein Schuh liegt da.« Er hob
eine Sandale auf, die im Gras gelegen hatte. »Mein Gott! Haben die beiden
einander umgebracht? Oder war es ein Dritter? Und wo ist Ameyas Leiche? So
riesig, wie dieser Blutfleck aussieht, kann er sich nicht mehr von der Stelle
bewegt haben, nachdem er getroffen wurde.« Plötzlich
bückte er sich ein zweites Mal und hob ein zerrissenes Band auf, an dem
verschiedene Jadestückchen hingen. »Das Amulett, das Ameya Neele geschenkt hat!
Man hat es ihr mit Gewalt weggenommen! War hier eine Räuberbande am Werk? Das
würde erklären, warum die beiden verschwunden sind. Die Räuber haben sie
mitgenommen.«
Der Amtmann kehrte zu der Ruine des Jagdhauses zurück. Seine
scharfen, geschulten Augen suchten den Boden ab, dann schüttelte er den Kopf.
»Nein. Eine Räuberbande hätte das Haus geplündert, und ich sehe hier zwischen
den Trümmern ein paar Gegenstände, die sie sicher nicht zurückgelassen hätten.
Da! Der silberne Suppenschöpflöffel, und hier liegen sogar haufenweise lose Münzen
herum, wahrscheinlich aus dem Sparstrumpf der Haushälterin. Und was hatte
Jürgen Simms eigentlich hier zu suchen? Er kam sicher nicht mit guten
Absichten, nachdem er überzeugt war, dass Ameya ihm seine rechtmäÃige Braut
gestohlen und Neele ihn an die Behörden verraten hatte. Nein, ich glaube, er
und Ameya haben gekämpft, und beide wurden dabei getötet. Aber es muss noch
mehr vorgefallen sein, denn jemand hat Jürgens und offenbar auch Ameyas Leiche
ins Haus geschleppt und dieses dann angezündet, um die Spuren des
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