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Im Land der Mond-Orchidee

Im Land der Mond-Orchidee

Titel: Im Land der Mond-Orchidee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Witt de
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eine Frau einen solchen heiligen Dolch auch nur
berührt, geschweige denn damit kämpfen lernt.«
    Â»Ich habe es nie gelernt. Ich habe bei dem verzweifelten Versuch,
mich zu verteidigen, blindlings zugestoßen, und der Stich war tödlich.«
    Dr. Bessemer überlegte, dann sagte er: »Damit gestehen Sie eine
Bluttat, Neele.«
    Â»Er wollte mich vergewaltigen, und er war schuldig oder mitschuldig
am Tod meines Gatten.«
    Â»Das sagen Sie, und ich glaube es Ihnen ja auch. Dennoch muss eine
solche Tat vor Gericht verhandelt werden.«
    Sie sprang auf. »Vor Gericht wollen Sie mich stellen? Weil ich meine
Ehre gegen einen betrunkenen Lumpen verteidigt habe?«
Und dann, mit einem Schlag, wurde ihr die Sachlage klar. Hätte sie als weiße
Frau einen Javaner getötet, der sie attackierte, wäre ihre Aussage genug gewesen,
um die Tat als gerechtfertigte Notwehr zu den Akten zu legen. Aber sie war eine
Mestizin, die einen Weißen getötet hatte. Was für eine Groteske! Ein schrilles Lachen
stieg ihr in der Kehle auf. »So ist das also?«, rief
sie. »Das Opfer ist ein Weißer, und ich … Nur zu, wollen Sie mich vielleicht
dafür hängen, dass ich Widerstand geleistet habe? Meinen Sie, eine Mischlingsschlampe
wie ich müsste weißen Männern allenthalben zu Diensten sein?«
    Â»Neele, ich flehe Sie an.« Dr. Bessemer war
ebenfalls aufgesprungen und reichte ihr ein Glas Eiswasser. »Bitte, trinken
Sie, und beruhigen Sie sich. Es ist keineswegs so! Es ist … nun, ich
jedenfalls sehe es nicht so! Aber Sie müssen zugeben, es handelt sich um eine
geheimnisvolle und undurchsichtige Tat. Noch haben wir Ameyas Leiche nicht gefunden,
und auch die Haushälterin ist weder tot noch lebendig wiederaufgetaucht.
Richard Hagedorn ist seit der Tat verschwunden, was uns natürlich auch zu
denken gegeben hat. Wir können diese Angelegenheit nicht einfach vom Tisch
wischen.« Er klingelte nach dem Diener und trug ihm
auf, einen Beamten, den er bei einem holländischen Namen nannte, zu rufen. »Sie
müssen verstehen«, wandte er sich dann an seine Besucher, »ich bin kein Richter
über ein Blutverbrechen, das müssen höhere Stellen entscheiden.«
    Â»Und bis dahin?«, fragte Neele finster.
»Stecken Sie mich ins Gefängnis?«
    Â»Das muss mein Kollege entscheiden.«
    Der Holländer erschien prompt – ein stattlicher Mijnheer mit grauem
Spitzbart, der trotz der schwelenden Hitze einen Anzug mit steifem Kragen trug.
Er setzte sich, bediente sich an Eiswasser und Arrak und ließ sich die Geschichte
noch einmal erzählen. Dann schüttelte er den Kopf. »Da sind viele Fragen offen,
Mädchen.«
    Â»Ich bin kein Mädchen«, widersprach Neele zornig. »Ich bin Witwe.«
    Er wischte den Zwischenruf mit einer Gebärde seiner plumpen Hände
weg. »Das habe ich gehört. Angeblich hat dein erster Ehemann dich verlassen.
Vielleicht, weil du von einem Farbigen schwanger warst? Das hat sich ja nachher
herausgestellt, oder? Dann führst du hier deine Liebesaffäre mit dem Deutschen
Simms fort und heiratest gleichzeitig einen Javaner, und das Ganze endet in
einer Bluttat. Ich habe Schwierigkeiten, dir zu glauben, Mädchen.«
    Sie ignorierte sowohl das Du als auch die wiederholte Anrede
»Mädchen«. Es hatte ja doch keinen Sinn. Sie sagte nur: »Ich habe meine Aussage
gemacht, glauben Sie mir, oder nicht?«
    Â»Gut so. Ich glaube dir nicht. Wir werden
die Angelegenheit vor Gericht klären. Und damit du nicht wieder in der Wildnis
verschwindest, bleibst du bis zur Verhandlung in Haft.«
    Neele blickte Hilfe suchend um sich, aber es war eindeutig, dass die
    beiden anderen Männer ihr nicht helfen konnten. Sie stand auf, drückte Dr. Bessemer ihr Bündel in die Hände und sagte mit leiser Stimme: »Passen Sie auf
meine wenigen Besitztümer auf.« Dabei sandte sie ihm
einen flehenden Blick zu. Wenn der Holländer verlangte, dass sie das Bündel
öffnete und der Kris sowie das dicke Päckchen Banknoten zum Vorschein kamen,
würde sich ihre Lage nur noch weiter verschlechtern. Zu ihrer Erleichterung
verstand der Amtmann. Er schob das Bündel mit einer gleichmütigen Geste hinter
sich und ermahnte sie dann: »Sie müssen sich den Anordnungen der Behörde fügen,
Frau Selmaker, vor Gericht wird sich alles entscheiden.«
    Â»Ich werde mich fügen«,

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