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Im Land der Mond-Orchidee

Im Land der Mond-Orchidee

Titel: Im Land der Mond-Orchidee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Witt de
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Ziegelhäuser
zu häufigen Ausbrüchen von Fieberkrankheiten führten. In frischer Luft und
neuen Häusern fühlten die Holländer sich so wohl, dass sie den neuen Stadtteil
»Weltevreden« nannten: wohlzufrieden. Seitdem bauten alle, die es sich leisten
konnten, ein Haus in Weltevreden, sodass weit zerstreute Siedlungen entstanden.
Später wurde dann eine andere, ebenfalls höher gelegene Fläche, der
Koningsplein, mit regelmäßigen Straßen angelegt. Während auf diese Weise hier
eine neue Stadt entstand, war die alte mehr und mehr dem Verfall preisgegeben.
    Â»Gegenwärtig«, sagte er, »besteht sie fast nur aus den Kontoren und
Speichern der Kaufleute, den Magazinen der Handelsgesellschaft und den
Wohnungen von Eingeborenen, Chinesen und den Nachkommen schwarzer Sklaven, die
von den Portugiesen ins Land gebracht wurden. Der Sitz des Handels ist sie
freilich geblieben, und den Tag über, wenn Beamte, Marktleute, Käufer und
Verkäufer hereinkommen, geht es dort zu wie in einem Bienenstock.«
    Sobald jedoch die Dämmerung hereinbrach, flüchteten die Europäer in
ihre luftigen Häuser in den Vorstädten, und die hohen, schmalen Häuser mit den
Kupferdächern lagen verlassen, denn mit der Nacht kam die Angst vor den Fieber
erzeugenden Ausdünstungen. Nach vier Uhr nachmittags sah man keinen Europäer
mehr in der Kota, wie diese Altstadt von den Javanern genannt wurde, und erst
um neun Uhr morgens, wenn der Wind frisch vom Meer hereinblies, wagten sie sich
wieder herbei.
    Neele stockte beinahe der Atem in der Kehle, als sie von den zu
Boden fallenden Gläsern und Tellern und dem Fieber hörte, und unwillkürlich
presste sie beide Hände auf ihren Schoß, wie um das werdende Kind zu schützen;
sie beruhigte sich erst wieder, als Bessemer ihr versicherte, dass man sich in
Batavia seit Menschengedenken an kein ernsthaftes Erdbeben erinnern könne, dass
auch die gefährlichen Vulkane wie der Guntur, der Merapi und der Lamongan weit
entfernt von der Stadt lagen, sodass keine Gefahr von ihnen ausging. Später
hatte sie das Gefühl, dass Lennert ihm ihren Zustand angedeutet hatte, denn
plötzlich wurde er sehr fürsorglich und vermied es in ihrer Gegenwart,
irgendetwas Gefährliches zu erwähnen. Er sprach nur noch von den traumhaft
schönen Dschungelblumen der Insel, unter denen die weiße Mondorchidee sich
besonders hervortat, den vielen bunt gefiederten Vögeln mit ihrem unablässigen
Gesang und – ein Thema, das ihn persönlich sehr interessierte – der javanischen
Küche, die selbst in ihrer einfachsten Form dem Gaumen schmeichelte.
    Â»Die Leute verstehen es, aus einem Hühnchen und ein paar Handvoll
Gemüse, Reis und Gewürzen eine Mahlzeit zu zaubern, für die sich der Chefkoch
eines Pariser Restaurants nicht zu schämen bräuchte«, schwärmte er. »Anfangs
schmeckt alles ein wenig wunderlich, weil sie es, anders als wir, süß und
scharf zugleich machen, aber bald gewöhnt man sich daran, und dann mag man unsere
dicken Klopse und das fette Schweinerne gar nicht mehr ansehen.«
    Paula fragte ihn, was er in sein Eiswasser mischte, und er erklärte
ihr, dass es Chinin sei, eines der vier Dinge, die die Holländer in den Tropen
für unverzichtbar hielten. Die übrigen waren ihre reformierte Bibel, der Genever
genannte scharfe Wacholderschnaps und Kretek, eine Tabakmischung, der Opium,
Cannabis, Bilsenkraut und Schierling beigemischt wurden. Als »indische Zigaretten«
oder »Nelkenzigaretten« wurde diese Mischung gegen Lungenleiden und
Schlafstörungen, aber auch zur allgemeinen Entspannung verschrieben.
    Â»Mit der Bibel bin ich nicht ganz einverstanden, ich bin ein
Skeptiker«, sagte er, »aber den indischen Tabak lasse ich mir gefallen.« Dabei hob er die Zigarre an den Mund und inhalierte den
Rauch tief.
    Â»Cannabis!«, rief Lennert. »Ich wusste, der
Geruch erinnert mich an etwas. Bilsenkraut und Schierling! Wenn ich nach dem
Lehrbuch der Toxikologie gehe, nehmen Sie da gerade eine ziemlich schädliche
Mischung zu sich.«
    Der Dicke lachte abschätzig. »Ach was, lassen Sie das Lehrbuch der
Toxikologie. Die Erfahrung ist alles. Und die Erfahrung sagt mir: In den Tropen
verlängert alles das Leben, was entspannt und für Ruhe und Heiterkeit sorgt,
sei es Betel oder Cannabis. In den Tropen sollte man keinen Alkohol trinken, er
macht

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