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Im Land der Mond-Orchidee

Im Land der Mond-Orchidee

Titel: Im Land der Mond-Orchidee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Witt de
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nicht
zugehört habe. Was sagten Sie? Dass die Deutschen und Holländer hier sich mit
den Javanern vermischen?«
    Er lachte laut. »Du meine Güte, nein, da haben Sie mir aber wirklich
nicht zugehört! Ich sagte, sie bleiben im Land, sie ziehen hier ihre Kinder und
Enkel auf. Aber natürlich sind es deutsche und englische und holländische
Kinder. Die meisten würden es schon sehr übel aufnehmen, wollte man ihnen die
falsche europäische Nation aufdrängen – etwa einen englischen Jungen mit einem
holländischen Mädchen verheiraten. Nein, man bleibt hier unter sich. Die
nichteuropäischen Völker übrigens auch. Niemals würde hier ein Chinese eine
Javanerin heiraten!«
    Paula sagte, sie könnte die Europäer verstehen, die keine Heidin
heiraten wollten, aber was hielt die Chinesen ab, die doch selbst Heiden waren?
    Es wurde eine lebhafte Diskussion, an deren Ende Neele gelernt
hatte, dass die Sache mit den Heiden in Java weitaus komplizierter war als in
Norderbrake. Erst hatten die Bewohner der Insel die Seelen ihrer Ahnen
angebetet und hatten der Vorstellung angehangen, dass alles eine göttliche
Seele habe, jeder Fluss, jeder Baum, jeder Stein. Vor einigen Hundert Jahren
hatte sich dann der Islam über die Insel ausgebreitet, aber die Javaner hatten
sich offenbar nicht merken können, was ihnen die Apostel des Propheten
beibrachten, obwohl sie die »Neun heiligen Männer« in hohen Ehren hielten.
Viele Religionen kamen, der Hinduismus, der Buddhismus, das Christentum, und
alle freuten sich, dass es ihnen gelungen war, die Javaner zu ihren Göttern zu
bekehren. Die aber lächelten höflich, neigten den Kopf, zeigten sich in allem
gefügig und freundlich und blieben bei ihrer eigenen Meinung. Sie hatten das
Alte und das Neue gleichermaßen beibehalten, und so war zuletzt nur ein großes
Durcheinander daraus geworden, in dem sich niemand auskannte. Pastor Ormus
hatte es sicher sehr schwer damit, christliche Klarheit in die Köpfe seiner
Täuflinge zu bringen.

4
    N och einmal legte
die Meisje Mariaan an, in Dschibuti, dann ließen sie
die Sinaihalbinsel zur Linken und Afrika zur Rechten hinter sich und dampften
hinaus in die endlose dunkelblaue Weite des Indischen Ozeans. Neele überkam ein
Gefühl der Panik, als sie hörte, dass es jenseits von Dschibuti kein Land mehr
gab, bis sie Bombay erreichten – nur eine endlose Wasserfläche und eine gnadenlos
gleißende Sonne, deren Strahlen das Wasser zurückwarf wie ein blauer Kristall.
Dr. Bessemer warnte seine neuen Freunde davor, sich leichtfertig in der Sonne
aufzuhalten, denn ehe man es sich versah, bekam man einen heftigen Sonnenstich.
Über dem Promenadendeck der dritten Klasse waren große Stücke Segeltuch gespannt
worden, damit die Passagiere die frische Luft genießen konnten, ohne an der
Sonne Schaden zu nehmen, denn unten im Schiffsbauch war es jetzt fast unerträglich
heiß. Der Liner machte Dampf, um seinen Termin einzuhalten, die Kessel glühten,
und in den winzigen Holzkabinen staute sich die Luft zum Ersticken.
    Dschibuti lag den dritten Tag achteraus, als Neele und Paula nach
dem Frühstück an Deck gingen und wie üblich an der Reling entlangspazierten.
Die Sonne war nicht so glitzernd hell wie an den beiden vergangenen Tagen,
sondern versteckte sich hinter gelblichen Schleiern. Beiden jungen Frauen stand
bei jeder Bewegung der Schweiß auf der Stirn, obwohl das Schiff schnelle Fahrt
machte und ihnen ein tüchtiger Fahrtwind ins Gesicht blies. Ihre Füße fühlten
sich an wie Blei. Neele war dankbar, dass sie nichts mehr von der morgendlichen
Übelkeit spürte, dafür hatte sie Kopfschmerzen, die ihr schier die Augäpfel aus
den Höhlen trieben, und als sie in Paulas bleiches Gesicht blickte, sah sie,
dass es der Freundin nicht viel besser erging.
    Als sie an der Reling stehen blieben, sagte Paula: »Ich dachte, es
gäbe kein Land mehr, aber sieht das da drüben nicht wie eine Insel aus?«
    Neele folgte ihrem Blick. Tatsächlich zeichnete sich genau unterhalb
der verschwommenen Sonnenscheibe ein federiges schwarzes Gebilde ab, das eine
stark zerklüftete Insel sein mochte, vielleicht aber auch eine tief hängende
Wolke. Es wurde rasch größer. Wenn es eine Insel war, dann umhüllte sie ein
dichter Dampf, der nach allen Seiten Ausläufer absandte, denn ihre eigentliche
Form war nicht zu

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