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Im Land der Mond-Orchidee

Im Land der Mond-Orchidee

Titel: Im Land der Mond-Orchidee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Witt de
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Luke und pfiff durch den schmalen Gang.
Beide Frauen spürten, dass die Wellen heftiger geworden waren. Die Meisje Mariaan , die am Morgen noch so sanft dahingeglitten
war, pflügte durch die unruhige See und bockte dabei wie ein Karren, der über
unebenes Pflaster holpert. Dann klappte die Luke zu. Ein knarrendes Geräusch
verriet, dass von außen der schwere Riegel vorgeschoben wurde. Einen Augenblick
blieb Neele das Herz stehen bei dem Gedanken, dass sie hilflos eingeschlossen
waren. Wenn das Schiff nun sank, würden sie ertränkt werden wie junge Katzen in
einem Sack!
    Â»Ich wünschte, sie würden die Luke nicht zusperren«, sagte sie mit
gepresster Stimme. »Wenn das Schiff sinkt, können wir nicht hinaus.«
    Â»Wenn das Schiff sinkt«, sagte Paula, die vernünftiger war, »nützt
es uns auch nichts, hinauszukönnen, oder willst du von hier bis Bombay
schwimmen? Dass sie die Luke geschlossen haben, schützt uns immerhin davor,
dass plötzlich ein Wasserschwall den Gang entlangkommt.«
    Neele musste zugeben, dass sie recht hatte, aber sie fühlte sich
trotzdem wie in einem zugenagelten Sarg, umso mehr, als der Wind mit jedem
Augenblick heftiger wurde.
    Sie lauschten dem Getrampel der Füße der Matrosen und dem dumpfen
Lärm, der überall im Schiff laut wurde. Es hörte sich an, als würden schwere
Möbel herumgeschoben, gefolgt von einem Knarren und Pfeifen, und dann spürten
sie zum ersten Mal, dass der Sturm sich seinen Weg ins Innere des Schiffes
bahnte. Hauchfeine, eisige Luftströme zogen durch die Kabine.
    Â»Einem so großen Schiff kann ein Sturm doch nichts anhaben, oder?«, fragte Neele besorgt.
    Paula suchte sie zu beruhigen. Hatte nicht Dr. Bessemer gesagt, dass
nur kleine Schiffe gefährdet waren?
    Jedenfalls schwankte die Meisje Mariaan zusehends heftiger. Erst war es nur ein leises Rollen gewesen, aber wie eine
Schaukel, die durch ihren eigenen Schwung immer weiter ausholt, sank sie mit
jedem Mal tiefer und stieg sie höher. Von draußen drang jetzt ein scheußlicher
Lärm herein, ein Heulen und Pfeifen, das sich im Labyrinth des Zwischendecks
verlor. Neele musste daran denken, wie sie in Norderbrake zugehört hatte, wenn
es in Winterabenden im Kamin wimmerte und Tante Käthe ihr erzählt hatte, das
seien die armen Seelen, die vom Friedhof hereingeflogen kamen, um sich in der
kalten Nacht zu wärmen. Dann setzte allmählich ein gewaltiges Schaukeln ein, sodass
sie sich, Dr. Bessemers Rat folgend, auf die Betten warfen und sich an dem
Holzrahmen festhielten. Die Wellen donnerten gegen den eisengenieteten
Schiffsrumpf, als stoße er mit einer Lokomotive zusammen. Immer wieder wurde
das Schiff hochgehoben und niedergedrückt. Neele konnte sich vorstellen, wie
furchtbar es oben auf Deck zugehen musste, wo Sturm und Wellen gegen die
Aufbauten prallten und die Schornsteine aus ihren Verankerungen zu reißen drohten.
    Das ständige Auf und Ab erweckte eine heftige Übelkeit in ihr,
sodass sie nicht anders konnte, als sich auf den Weg zum Abtritt zu machen,
aber es wurde ein schrecklicher Weg. Im Zwischendeck war es fast vollkommen
finster, nur einige wenige graue Kreise zeigten an, wo sich die Bullaugen
befanden. Überall standen Türen offen, um einen Faden Licht hereinzulassen, und
die Passagiere jammerten, weinten, beteten und suchten einander zu trösten.
Mehrere waren genauso wie sie auf der Suche nach dem Abtritt, denn das
Schaukeln war jetzt so heftig geworden, dass das Schiff jedes Mal ins Bodenlose
zu fallen und dann langsam wieder in die Höhe zu steigen schien.
    Neele stolperte den schmalen Gang zwischen den Kabinen entlang,
wobei sie sich links und rechts abstützte und verzweifelt das Gleichgewicht zu
halten versuchte, sooft das Schiff in ein Wellental sank. Einmal misslang es
ihr, und sie fiel der Länge nach in eine der Nischen zwischen den Kabinen, fiel
schmerzhaft über allerlei Kram, der dort aufgestapelt lag, und riss sich das
Knie auf. Als sie danach tastete, fühlte ihre Hand sich feucht an. Das hatte
ihr noch gefehlt!
    Aber das Würgen in ihrem Inneren ließ ihr keine Zeit, sich mit ihrem
blutigen Knie zu beschäftigen. Sie tappte blindlings dahin, erreichte gerade
noch rechtzeitig die Tür des engen Waschraums und erleichterte sich. Keinen
Bissen würde sie von dem Abendessen zu sich nehmen! Der bloße Gedanke daran
verkrampfte ihr schon den

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