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Im Land der Mond-Orchidee

Im Land der Mond-Orchidee

Titel: Im Land der Mond-Orchidee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Witt de
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wäre sie nicht so müde
und elend gewesen.
    Tatsächlich kam der junge Deutsche in kurzer Zeit mit einer offenen
Kutsche zurück, die ihnen dreien und ihrem Gepäck Raum bot. Er selbst schwang
sich auf den Kutschbock, nachdem er ihnen beim Einladen geholfen hatte, und als
er mit der Peitsche schnickte, trabte das Pferd den Weg weiter, in die
Dunkelheit hinein.
    Neele saß in sich zusammengesunken auf der wackelnden Sitzbank und
starrte ängstlich in die tiefschwarze, von zahllosen Geräuschen summende und
surrende Nacht, die nur vom Lichtschein der Wagenlaterne unterbrochen wurde.
Immer wieder rumpelte der Donner, als komme ein Eisenbahnzug im Dunkeln hinter
ihnen die Straße entlang. Nachtschmetterlinge, so groß wie eine Hand, torkelten
durch den gelben Schimmer. Nachtvögel sangen hell in den Bäumen. Sie musste an
die Tiger denken, deren Existenz ihnen Dr. Bessemer bestätigt hatte. Vielleicht
schlich eine der riesigen Raubkatzen in dem Dschungel links und rechts der
Straße herum und lauerte nur darauf, sie anzugreifen? Zu der Angst kamen die
ständigen Stiche blutgieriger Mücken, die sich auf jedes entblößte Fleckchen
Haut stürzten und juckende Beulen hinterließen, vor allem aber die Müdigkeit.
Sie war am Ende ihrer Kräfte angelangt. Was sie auch sah, verschwamm ihr vor
den Augen, ihr Kopf schmerzte, und ihre Bewegungen waren tollpatschig, als sei
sie betrunken.
    Sie fuhren keine Viertelstunde lang, als sie am Straßenrand Lichter
funkeln sahen und vor einem halben Dutzend Bambushütten mit steilen Dächern
anhielten, die auf hölzernen Pfosten mannshoch über dem Erdboden standen und
mit Palmblättern gedeckt waren.
    Am größten dieser Pfahlhäuser befand sich an der Seite ein zur
Straße hin offener Windschirm, in dem Lagerfeuer brannten. Bunt gekleidete
Familien saßen dort und kochten ihr Essen am Feuer, wie der würzige Geruch
verriet, der den Reisenden entgegenwehte. Hühner liefen den Leuten vor den
Füßen herum und wurden mit Schreien und Fußtritten weggejagt. Kleine Kinder
plärrten ungeduldig nach ihrem Abendessen. Auch in dem Pfahlbau brannte Licht.
    Hagedorn führte sie eine steile Treppe hinauf und in einen Raum, der
wohl das Empfangsbüro des Hotels war.Dort verhandelte er mit einer alten Frau
über ihre Zimmer, dann verabschiedete er sich, und die drei todmüden Reisenden
folgten einem einheimischen Mädchen einen langen, nur von einer Petroleumlampe
beleuchteten Gang entlang.
    Die beiden Frauen wurden in ein schwach erhelltes Zimmer mit einem
niedrigen Doppelbett darin geführt. Neele ließ sich auf den Bettrand sinken und
zupfte an dem langen weißen Schleier, der von der Decke herabhing und das Bett
von allen Seiten her einhüllte. »Was ist das?«, fragte
sie.
    Â»Ein Moskitonetz«, erklärte ihr Paula. »Erinnerst du dich nicht, was
uns Dr. Bessemer erzählte? Man spannt es nachts um das Bett herum, sonst
fressen einen die kleinen Teufel auf. Komm jetzt, willst du dich nicht waschen?« Sie deutete auf die Tür, die aus dem Schlafzimmer hinaus
in einen weiteren Raum führte.
    Neele gehorchte und fand sich in einem bescheidenen Badezimmer
wieder. In einer Ecke befand sich eine aus Ziegeln gemauerte Zisterne, die mit
kaltem Wasser gefüllt war, zwei Eimer mit Schöpflöffeln und ein Loch im Boden,
das als Toilette diente. Sie fühlte sich hin und her gerissen. Einerseits
konnte sie es nicht erwarten, sich aus dem verschwitzten Reisekleid zu
befreien, andererseits hatte sie Angst, sich in einer derart fremdartigen und
womöglich feindseligen Umgebung auszuziehen. Schließlich entschied sie sich für
einen Mittelweg. Sie wusch sich Gesicht und Hände und legte sich dann voll
angekleidet auf das Bett.
    Als Paula sie fragte, gab sie zu: »Ich traue mich einfach nicht,
mich auszuziehen. Was ist, wenn wir schnell hier wegmüssen? Vielleicht passiert
in der Nacht irgendetwas?«
    Â»Was sollte wohl passieren?« Paula war
bereits dabei, die vielen Häkchen ihrer Jacke zu öffnen. »Ich glaube nicht,
dass Hagedorn uns in eine Räuberhöhle geführt hätte. Ich wette, das hier ist
ein billiges, aber anständiges Gasthaus. Hast du die Familien mit ihren Kindern
gesehen, die unter dem Windschirm kampierten? Die sahen mir nach Bauern aus,
harmlose Leute auf dem Weg zu irgendeinem Markt oder einem anderen Geschäft.
Also, komm

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