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Im Land der Mond-Orchidee

Im Land der Mond-Orchidee

Titel: Im Land der Mond-Orchidee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Witt de
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freimachten, ehe der alte Mann
nicht mehr in sein eigenes Haus gelangen konnte.
    Schließlich hielt die Kutsche vor einem Tor in einer getrimmten
Hecke. Sie stiegen aus, und sofort erschien ein einheimischer Diener, der ihnen
öffnete.
    Neele sah ein einstöckiges weißes Herrenhaus vor sich, das inmitten
eines sauber gepflegten Gartens lag. Es wirkte sehr europäisch, mit dem
Unterschied, dass es auf massiven Steinpfeilern stand. Als Neele danach fragte,
erklärte ihr Richard: »Da müssen Sie einmal ein Gewitter hier erlebt haben,
dann verstehen Sie, wozu die Säulen gut sind. Das Wasser würde knietief in der
Diele stehen, wenn es nicht unterhalb des Hauses abfließen könnte. Dass die
einheimischen Häuser alle auf Stelzen stehen, haben Sie ja schon gesehen.«
    Neele schüttelte den Kopf. »Nein, wir haben noch kaum etwas gesehen.«
    Â»Lohnt sich auch nicht«, erwiderte der junge Deutsche. »Außerhalb
von Batavia ist so gut wie gar nichts los. Aber man kann gut auf die Jagd
gehen, sogar Tiger gibt es hier.« Er warf Lennert
einen spöttischen Blick zu. »Wie wär’s? Dürfen wir Sie einladen?«
    Der Arzt merkte wohl, dass er verspottet wurde, aber er zuckte nur
die Achseln und bemerkte lachend: »Da hätte der Tiger wohl einen unfairen
Vorteil.«
    Ein sanft ansteigender Rasen führte zum Haus und ging dahinter in
einen dicht bewachsenen treppenförmigen Hang über, auf dem bunt bemalte Häuser
aus dem Laubwerk blickten. Die Villa der deutschen Pflanzer war nicht
sonderlich groß, aber sehr geschmackvoll gestaltet. Den Garten umschloss eine
Mauer, in der sich zur Straße hin ein gusseisernes, kunstvoll verschnörkeltes
Tor öffnete. Zwei steinerne Urnen, aus denen eine Flut roter Blüten quoll,
standen zu beiden Seiten des Eingangs.
    Richard Hagedorn ging ihnen voraus, während der Diener das Pferd
fortführte. Man hatte sie von drinnen bereits gesehen, denn sie hatten das
Haustor noch nicht erreicht, als schon ein farbiges Dienstmädchen mit einem
weißen Häubchen öffnete und sie in die Diele bat. Die drei warteten, und dann
wurden sie weitergebeten in den Salon.
    Neele atmete auf. Sie fand sich, soweit sie sehen konnte, in einem
durch und durch deutschen Haus. Es war zwar mit zu vielen Kinkerlitzchen
vollgestopft, aber die Räume mit der Mahagonitäfelung, den roten Filzteppichen,
grüngläsernen Pendellampen und dem verschnörkelten Zierrat wirkten überaus
gemütlich. Nicht einmal das gerahmte Bildnis des Kaisers fehlte. Hier wohnten
Leute, die auf Java nur insofern eine neue Heimat gefunden hatten, als sie
Platz beanspruchten. Eine große, mütterlich aussehende Frau Hagedorn erschien,
die sie mit einem Lächeln begrüßte. Hausherr und Hausfrau zogen sich mit ihren
Gästen in ein geräumiges Eckzimmer im Erdgeschoss zurück. Man servierte Kaffee
und Likör, und dann verlangten die Hagedorns, ihre Geschichte zu hören.
    Lennert übernahm diese Aufgabe. Der backenbärtige Herr Hagedorn
hörte aufmerksam zu und las den Brief, der sie so weit in die Fremde gelockt
hatte. Schließlich sagte er: »Da haben Sie aber gewaltiges Pech gehabt. Mein
Sohn sagte Ihnen wohl schon, dass die Typhusepidemie einen beträchtlichen Teil
der Kinder dahinraffte, und danach war der alte Herr nicht mehr ganz richtig im
Kopf. Er machte einfach weiter, als sei nichts geschehen; zeigte allen Leuten
Fotos seiner Schützlinge und erzählte ihnen, wie es mit den Kindern ging. Wir
kennen ihn alle, aber natürlich kam niemand auf die Idee, er könnte nach
Deutschland schreiben und Sie alle veranlassen, hierherzukommen.«
    Lennert gestand dem freundlichen Nachbarn ein, dass sie im
Augenblick nicht weiterwussten. Die Überfahrt hatte ihr ganzes Geld
verschlungen, sie hatten kein Dach über dem Kopf und wussten nicht, wie sie
ihren Aufenthalt finanzieren sollten. Alles, was sie besaßen, befand sich in
ihren drei Koffern. Sie wussten auch nicht, was sie weiter anfangen sollten;
sie waren alle darauf ausgerichtet gewesen, in einem gut laufenden Institut
alle möglichen Arbeiten zu übernehmen und dafür bezahlt zu werden.
    Hagedorn überlegte. »Ich würde sagen, wohnen können Sie da drüben.
Es gehört dem Pastor, er hat es aus Spendengeldern erbaut, als er noch seine
Gemeinde hatte. Bevor der Typhus ausbrach, war es sehr hübsch dort drüben. Wenn
ich vorbeifuhr,

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