Im Land der Mond-Orchidee
böse Feind bemerkenswert aktiv zu sein, denn an allen Ecken und
Enden hörte man von seinen Umtrieben ⦠Der Widerspruch war nie ganz aufgelöst
worden, und nun war Neele nicht sicher, ob der Schamane es nicht tatsächlich
geschafft hatte, den Typhus im Haus seiner Feinde ausbrechen zu lassen.
»Nun, dann wird es wohl genügen, wenn ich Dr. Bessemer erzähle, wie
der Alte uns belästigt.« Lennert stand auf. »Der wird
schon dafür sorgen, dass er Ruhe gibt.«
2
A m nächsten Tag,
einem Sonntag, stellten sie fest, dass sich oben im Kampong auf dem Bergrücken
irgendetwas Bedeutsames tat. Von Mittag an schallte Lärm herunter, der auf
lebhafte Geschäftigkeit schlieÃen lieÃ, und bald darauf wehte der Wind den
Geruch von gebratenem Fleisch herüber. Dann wurde auf der StraÃe fremdartige
Musik laut, und als Neele neugierig vor das Heckentor trat, sah sie eine
Prozession von Büffelkarren die StraÃe heraufkommen. An deren Anblick war sie
inzwischen gewöhnt, aber diesmal waren es nicht die üblichen Karren mit Obst,
Broten und Käfigen voll lebender Hühner, die zum Markt fuhren, sondern eine Art
reisender Zirkus. Viele der Leute auf den Fahrzeugen waren offenkundig Gaukler
und Sänger, während andere verschnörkelte und bunt bemalte Kisten hielten. Auf
einem Karren reiste ein Orchester samt einem mächtigen Kesselgong. Kinder
rannten schreiend nebenher.
Am Abend schlieÃlich flackerte Feuerschein durch die Palmen und
Bananenbäume auf dem Berggipfel. Es war ganz offensichtlich, dass ein Fest
gefeiert wurde. Die Deutschen standen am Gartentor und rätselten noch, zu
welcher Art von Festlichkeit die Gaukler unterwegs sein mochten, als Hufschläge
ertönten und Richard Hagedorn auf seinem Rappen erschien.
Offenbar kam er von der Jagd, denn an seinem Sattel hingen zwei Vogelflinten
und ein blutfleckiger Sack. Er konnte ihnen die Frage beantworten. Auf der
weiten Rasenfläche neben dem Losmen, in dem sie ihre erste Nacht auf Java
verbracht hatten, fand ein groÃes Hochzeitsfest statt mit Puppentheater,
Gauklern und einem einheimischen Orchester, das Gamelan-Orchester genannt
wurde.
Paula war begeistert. »Oh, kommt! Lasst uns das ansehen! Wer weiÃ,
wann wir wieder Gelegenheit haben!« Sie fragte ihn in
aller Unschuld, ob er sich auch das Fest ansehen wollte, und erntete einen
Blick eisiger Verachtung.
»Sie wollen sich doch wohl da nicht âºunters Volk mischenâ¹, wie man
so sagt? Das ist ein Fest der Eingeborenen. Europäer haben da nichts verloren.«
»Warum?«, fragte Neele. »Würden sie uns
wegjagen oder sich ärgern, weil wir zusehen?«
»Was, wegjagen!« Der junge Mann machte eine
unwirsche Geste. »Es gehört sich einfach nicht. Niemand von uns würde da
hingehen. Die haben ihre Feste, und wir haben unsere Feste.«
Neele wusste nicht recht, wie sie reagieren sollte. Sie war
neugierig, aber sie wollte sich niemandem aufdrängen, und sie wollte auch nicht
bei den Mitgliedern des deutschen Klubs ins Fettnäpfchen treten. Zurzeit waren
sie viel zu abhängig von deren gutem Willen, als dass sie sich mit ihnen
streiten wollte.
Paula jedoch blieb dabei, sie wolle das Fest wenigstens vom
StraÃenrand aus beobachten. Wozu war sie nach Java gekommen, wenn sie dann
nicht einmal sehen durfte, wie es auf Java zuging? Richard meinte, sie sollten
tun, was ihnen gefiele. Aber sie sollten die Sache für sich behalten, ermahnte
er sie. Man würde es ihnen übelnehmen. Die Europäer auf der Insel legten viel
Wert darauf, dass sie eben Europäer waren. Leute, die sich zu viel mit den
Einheimischen abgaben, wurden als eine Art Kollaborateure angesehen, denen man
ebenso wenig traute wie Mischlingen. Dann machte er sich davon.
»Arrogantes Volk«, bemerkte Lennert. »Als würden sie sich die Hände
schmutzig machen, wenn sie bei einem Fest der Einheimischen dabei sind!«
Sie machten sich auf den Weg und kamen binnen einer Viertelstunde
oben im Kampong an. Auf der weiten Rasenfläche, die sich hinter dem Haus und
seinem Windschirm erstreckte, brannten Feuer in metallenen Körben, und ein
lebhaftes Treiben herrschte. Eine Woge köstlicher Gerüche hüllte die
Neuankömmlinge ein. Auf einem Gerüst wurden Fleischstücke über Holzkohle
gebraten. Es gab offene Herde, auf denen in riesigen Pfannen die Reisgerichte
schmorten, es gab das übliche
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