Im Land der Orangenbluten
...?«
Julie stand auf und legte ihre Handarbeit beiseite. »Ich glaube, Amru ist oben bei Martina. Was ist denn los, Kiri, du schaust so verschreckt? Ist etwas passiert?« Normalerweise behelligten die anderen Sklaven Amru nicht mit Nichtigkeiten. Kiri musste also durchaus ein wichtiges Anliegen haben. Das Mädchen jedoch schüttelte den Kopf und wandte sich zum Gehen. »Moment«, rief Julie und wäre Kiri fast durch die Sklaventür gefolgt, besann sich dann aber doch und schlüpfte schnell durch den richtigen Eingang, um ihre Leibsklavin im Flur hinter dem Esszimmer wieder abzufangen. Sie packte das Mädchen bei den Schultern und schaute ihm eindringlich in die Augen. »Nun sag schon, was los ist.«
Kiri wandte den Blick gen Boden und druckste herum. »Na ja, ich soll Amru holen. Im Dorf ... das eine Mädchen.«
Schlagartig hatte Kiri Julies ganze Aufmerksamkeit. »Was ist mit dem Mädchen? Welches Mädchen meinst du?«
»Amru soll es sich mal ansehen, sie ...«
Julie drehte sich um und lief zur Treppe. Ohne sich lange mit Benimmregeln aufzuhalten, rief sie in das oberste Stockwerk hinauf: »Amru?« Alsgleich erschien die Sklavin am oberen Treppengeländer mit einigen frischen Laken auf dem Arm. Es war ungewöhnlich, dass im Haus so laut gerufen wurde, und sie blickte Julie am Fuße der Treppe verwundert an. »Kiri sagt, du musst sofort ins Sklavendorf, irgendetwas ist mit einem Mädchen passiert!«
Sofort kam Bewegung in Amru. Sie legte die Laken beiseite und hastete hinter Julie her, die durch den Hinterausgang bereits auf dem Weg hinaus war.
Im Sklavendorf deutete Kiri auf eine Hütte. Amru zögerte kurz. »Misi Juliette, Sie warten besser, bitte.« Sie verschwand in der Hütte und ließ Julie ratlos neben ihrer Leibsklavin zurück.
»Was ist denn passiert? Ist das Mädchen krank?«, fragte Julie besorgt. Kiri jedoch gab keine Antwort.
Stattdessen tauchte Amrus Kopf im Eingang der Hütte auf. »Kiri, hol frisches Wasser und saubere Tücher.« Das Mädchen eilte los.
Julie spürte die Spannung, die in der Luft lag. Irgendetwas stimmte nicht, und wenn jemand Hilfe brauchte und sie schon einmal hier war, wollte sie ihre Kraft auch einbringen. Entschlossen folgte sie Amru in das Innere der Hütte. Das Licht war dämmerig, in der Luft lag ein merkwürdiger Geruch von Metall. Julie konnte in einer Hängematte eine Person ausmachen, über die Amru und eine weitere Frau sich gerade beugten. Julie trat näher.
Die Sklavenfrau sah Julie verschreckt an, um den Blick sogleich wieder zu senken. »Misi.«
Amru sah ebenfalls auf und verzog ärgerlich das Gesicht. »Misi sollte das besser nicht sehen«, sagte sie bestimmt.
»Was ist denn?« Julie schob sich neugierig neben die Haussklavin und taumelte sofort erschrocken einen Schritt zurück. In der Matte lag ein junges Mädchen. Julie konnte nicht erkennen, um welches Kind es sich handelte, auch wenn sie sich seit einiger Zeit wirklich bemühte, sich die vielen Namen zu merken. Der Zustand des Mädchens war erbärmlich. Das Gesicht wirkte aufgequollen, die Augen waren zugeschwollen, die Lippen aufgeplatzt und blutig. Trotz der dunklen Hautfarbe waren bis zu den Schultern dunkelblaue Hämatome zu erkennen, ab dort bedeckte ein Tuch den Körper.
»O Gott, was ist passiert?«, stammelte Julie und schlug sich die Hand vor den Mund, als sie sah, dass das Tuch nicht nur im oberen Bereich blutbefleckt war.
Kiri kam in die Hütte und reichte Amru eine Kalebasse mit Wasser und einige saubere Tücher.
Amru drehte sich zu Julie um. »Misi Juliette geht jetzt besser!«
Julie nickte stumm, konnte aber den Blick nicht von dem Mädchen wenden. Starr vor Schreck fixierte sie die Halskette des Mädchens: Sie war grün. Julie wurde auf einen Schlag speiübel, und sie stürzte an Kiri vorbei aus der Hütte. Draußen schnappte sie nach Luft. Als sie ihre Sinne wieder beisammenhatte, wandelte sich ihr Schreck in blanke Wut. Pieter!
So schnell ihre Beine sie trugen, lief Julie in Richtung Haus. Vor der hinteren Veranda kam ihr Jean Riard entgegen.
»Was ist denn passiert?« Seine Miene drückte ehrliche Sorge aus.
Julie wollte an ihm vorbeistürmen, doch er hielt sie am Arm. Sie stockte kurz, dann brach sie in Tränen aus.
Er schob sie behutsam etwas abseits in den Schatten der Bäume. Julie warf sich ungeniert an Riards Brust und schluchzte bitterlich.
»Dieses Schwein ... er ... er ...«
»Alles gut ...«, er nahm sie vorsichtig in den Arm. So standen sie eine kurze Weile
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