Im Land der Orangenbluten
ist jetzt satt, dann können wir ja weitergehen. Begleiten Sie uns noch ein Stück, Mijnheer Riard?«
»Es tut mir leid, Mevrouw Fiamond, ich muss leider weiter. Es war nett, Sie zu treffen. Mevrouw Brick.« Jean nickte den Damen höflich zum Abschied zu, nur Julie bedachte er mit einem längeren Blick.
»Bis bald, Julie!«
Nach ihrer Rückkehr auf die Plantage sahen Jean und sie sich nicht häufig, Karl verwehrte ihr oft den Wunsch, in die Stadt zu reisen. Nur wenn Martina darauf drängte, ließ er sich erweichen, für tageweise Aufenthalte seine Erlaubnis zu geben. Jedes Mal, wenn Julie Jean traf, fiel es ihr schwerer, wieder auf seine Gesellschaft zu verzichten.
»Meinst du nicht, es gibt eine Möglichkeit, dass du öfter in die Stadt kommst?«
Julie hatte den drängenden Unterton seiner Stimme wohl vernommen. Aber sie konnten nicht das Risiko eingehen, dass Karl etwas bemerkte. Der Aufwand war schon so groß genug: Jedes Mal musste sie den Umweg über Valerie nehmen, Aiku bei den Fiamonds lassen, am besten auch Kiri dort beschäftigen und dafür sorgen, dass Martina abgelenkt war, um dann einige Zeit allein mit Jean verbringen zu können. Von Kiri drohte zwar am wenigsten Gefahr, sie verabschiedete ihre Misi auch immer mit einem wohlwollenden Lächeln, aber Julie traute sich nicht, mehr als einige Stunden fortzubleiben.
Heute hatte sie gezögert, als Jean sie zu sich nach Hause gebeten hatte. Sie hatte sich schon einige Male geziert, hatte Jean lieber an stillen, aber öffentlichen Plätzen getroffen. Er hatte sie nie gedrängt, doch konnten sie an diesen Orten nicht so beieinander sein, wie es sich beide im Stillen wünschten. Aber es war April, Regenzeit und ein Aufenthalt im Freien war fast nicht möglich. Und schließlich hatte Julie doch eingewilligt, ihm zu sich nach Hause zu folgen. Julie lief rot an, als Jean sie an seiner Vermietern vorbei in seine kleine Wohnung führte.
»Mevrouw Toomson«, sagte er und nickte ihr freundlich zu, ganz so, als bemerke er ihren neugierigen Blick gar nicht. Julie wurde das Gefühl nicht los, dass sie etwas Verbotenes, etwas Ungehöriges tat. Und der vielsagende Blick der alten Mulattin verbesserte diesen Zustand nicht gerade. »Keine Angst, sie ist keine Klatschbase«, versuchte Jean Julie jetzt zu beruhigen, als sie die hölzerne Treppe emporstiegen, die in das Dachgeschoss des alten Stadthauses führte.
Ihr flaues Gefühl aber blieb. Erst als die Tür hinter ihnen zufiel, entspannte sich Julie etwas und schaute sich neugierig um.
Die Wohnung war klein und spärlich eingerichtet. Ein Tisch, ein Stuhl, ein Bett und ein wackeliges Regal, welches als offener Schrank diente. Julie überkam ein schlechtes Gewissen: Konnte Jean wirklich ohne die gut bezahlte Arbeit auf der Plantage leben? Hoffentlich hatte Karl keine Geschichten über ihn in die Welt gesetzt, so etwas sprach sich in der Kolonie herum wie ein Lauffeuer. Und einen Buchhalter, der gar den Frauen der Plantagenbesitzer nachstieg, den würde niemand beschäftigen wollen. Immer, wenn sie das Thema ansprach, tat Jean es schnell ab. Es gehe ihm gut, sie solle sich keine Sorgen machen. Julie fiel aber auf, dass er sie seltener auf etwas zu Trinken einlud und seine Kleidung langsam verschliss.
Jetzt nahm er ihr vorsichtig das Tuch ab, welches sie sich gegen den Regen um die Schultern und das Haar gelegt hatte, und hängte es sorgfältig über die Lehne des einzigen Stuhls im Raum. »Setz dich«, sagte er lächelnd. Julie nahm vorsichtig auf dem Stuhl Platz. »Julie ...«, er hockte sich vor sie und nahm ihre Hände zwischen seine. Zärtlich küsste er ihre Fingerspitzen.
Julie durchfuhr ein wohliger Schauer. Bis auf einen flüchtigen Kuss oder eine leichte Berührung hatten sie bisher immer darauf verzichtet, sich näherzukommen, ihre heimlichen Treffen waren schon verwerflich genug. Sie beugte sich vor, um ihn auf den Mund zu küssen. Erst verhalten, dann immer forscher. Er streichelte ihren Hals und fuhr mit den Fingerspitzen den Ausschnitt ihres Kleides entlang.
Julie reagierte mit einem leichten Zittern, ihr Atem ging schneller. Alles in ihr sehnte sich nach seiner Berührung, doch im Hintergrund lauerte die Angst. Alles, was sie über die Geschehnisse zwischen Mann und Frau wusste, hatte sie bei Karl gelernt. Sie erinnerte sich jedoch nicht daran, dass ihr Körper auf Karls Berührungen je so reagiert hatte. Karl war grob gewesen, hatte sie derbe angepackt, ungeduldig und herrisch. Jean hingegen ... Julie
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