Im Land der Orangenbluten
gerade noch rechtzeitig ein Danke herunter.
»Misi hat Haare wie Gold, Misis Sklavin wird sich freuen, Frisuren daraus zu machen.« Julie war überrascht, wie redselig Foni war, was vermutlich auch daran lag, dass Karl nicht in der Nähe war. Außerdem freute sie sich, dass sie die Sprache der Haussklavin so gut verstand.
»Aber ich hab doch gar keine Sklavin«, bemerkte Julie leise, während Foni ihr in das Abendkleid half.
»Der Masra wird der Misi eine Sklavin besorgen. Jede Misi hat eine Sklavin, ohne Sklavin geht nicht«, erklärte Foni Julie mit gewichtigem Unterton.
Als Julie sich noch im Spiegel begutachtete, ertönte plötzlich aus dem unteren Stockwerk eine weibliche Stimme.
»Vater? ... Vater?«
»Oh!«, rief Foni sichtlich erschrocken und eilte davon.
Julie war überrascht. Das konnte nur Martina sein!
Ein nervöses Kribbeln machte sich in ihr breit. Warum hatte Karl sie nicht vorgewarnt, dass sie bereits hier auf ihre Stieftochter treffen würde? Aber Karl war seit ihrer Ankunft von morgens bis abends zu geschäftlichen Dingen unterwegs, verließ das Haus früh und kam erst spät heim. In den wenigen gemeinsamen Momenten hatte er Julie so gut wie gar nicht beachtet.
Schnell strich sie nochmals ihr Kleid glatt. Dann ging auch sie nach unten.
In der kleinen Eingangshalle nahm Foni gerade einer jungen Frau die Sommerjacke ab. Julie verharrte auf der Treppe und nutzte den kurzen Augenblick, um sich Karls Tochter genauer anzusehen. Martina war nur wenig kleiner als sie selbst und hatte das dunkle Haar zu einem aufwändigen Knoten gebunden. Die Gesichtszüge waren kantig, aber doch ebenmäßig – die Ähnlichkeit zu ihrem Vater war unverkennbar. Als sie Julie jetzt auf der Treppe bemerkte, verengten sich ihre großen braunen Augen zu Schlitzen, aus denen sie Julie katzenhaft anfunkelte.
»Wer sind Sie? Was machen Sie in unserem Haus?« Da Martina dabei Foni vorwurfsvoll ansah, fühlte diese sich wohl zu einer Erklärung aufgefordert.
»Das ist Misi Juliette ...«, setzte Foni an.
»Mejuffrouw Leevken ... Martina!« Julie fiel der Sklavin ins Wort und eilte sich jetzt, die Treppe hinunterzukommen. Die alte Sklavin senkte den Blick und schwieg. Julie wollte sich Martina lieber selbst vorstellen. Aber was sollte sie sagen? Die kurzen, angriffslustigen Fragen des Mädchens deuteten darauf hin, dass ihr Vater ihr nichts von seiner neuen Frau hatte berichten lassen. Wie um Himmels willen sollte sie ihr klarmachen, dass sie jetzt ihre Stiefmutter war? Sie atmete tief ein, setzte ein freundliches Lächeln auf und streckte Martina die Hand zum Gruß hin. »Es freut mich ausgesprochen, Sie endlich kennenzulernen«, sagte sie so herzlich sie konnte.
Martina bedachte sie mit einem abschätzenden Blick und ignorierte die höfliche Geste. Dann bekam ihr Gesicht einen hochmütigen Ausdruck, wobei sie ihre spitze Nase in die Luft reckte.
»Ach, hat Vater schon wieder eine neue Gouvernante engagiert? Ich habe ihm doch gesagt, dass ich das nicht mehr wünsche. Foni! Wo ist er eigentlich?«
»Masra Karl kommt gleich wieder. Möchten die Misis eine Erfrischung im Salon?« Foni schien froh, sich zurückziehen zu können.
Martina zuckte die Achseln und übergab der Haussklavin ihren Hut. »Ja, aber schnell, ich muss mich ja noch frisch machen und umziehen. Wir wollen doch heute Abend zu den van Beckers. Vater hat extra gestern nach mir schicken lassen.« An Julie gewandt fügte sie hinzu: »Dann kommen Sie mal mit.«
Martina deutete Julie an, ihr zu folgen. Julie folgte ihrer Stieftochter wortlos in den Salon. Dort ließ Martina sich seufzend auf einem Sessel nieder und bedachte Julie mit einem unschlüssigen Blick, bevor sie ihr bedeutete, im Sessel gegenüber Platz zu nehmen.
»Er hat Sie doch jetzt nicht extra aus Europa hergeschafft, oder? Ich habe ihm gesagt, dass ich weder eine Gouvernante wünsche noch weitere Hauslehrerinnen. Wir haben da ja sehr schlechte Erfahrungen gemacht.« Martinas Stimme nahm einen altklugen Tonfall an. »Aber Sie werden sicherlich keine Probleme haben, hier irgendwo anstellig zu werden. In den meisten Familien werden gut gebildete Kindermädchen händeringend gesucht. Die Neger haben da ja gewisse Defizite.«
Foni kam mit einem Tablett und zwei Gläsern herein, das sie auf dem niedrigen Tisch abstellte, bevor sie sich eilig wieder trollte.
Julie wusste nicht, ob sie sich über die Art von Martina amüsieren oder ärgern sollte. Martina schien nicht nur äußerlich ihrem Vater
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