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Im Land der Orangenbluten

Im Land der Orangenbluten

Titel: Im Land der Orangenbluten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: belago
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Heirat aber ließ sie aus. Als sie Karl zwischendurch einen kurzen Blick zuwarf, prostete er ihr aufmunternd mit einem Glas Champagner zu, um sich dann wieder der Konversation mit den Männern zu widmen.
    »Oh, Juliette, da ist Marie Marwijk ... Marie, darf ich Ihnen Juliette Leevken vorstellen ... jetzt, wo Sie ja sozusagen Nachbarn werden.« Charlotte van Beckers schob gerade wieder eine neue Dame an Julies Seite.
    »Ich freue mich ja so, Sie endlich kennenzulernen.« Marie Marwijk ergriff Julies Hand und tätschelte sie, ohne ihren Redefluss zu unterbrechen. »Wir leben auf der Plantage Watervreede, die liegt gleich neben Rozenburg.« Marie Marwijk war ungefähr fünfzig Jahre alt. Sie war klein und drahtig, und ihr Gesicht ließ darauf schließen, dass ihr Leben nicht immer ganz leicht gewesen war. Ihr ehemals braunes Haar war von silbrigen Strähnen durchzogen. »Ach, Mevrouw Leevken, oder darf ich Juliette sagen«, sie wartete die Antwort gar nicht erst ab, »das ist ja so aufregend! Ich hoffe, Sie kommen mich dann jetzt öfter mal besuchen?«
    Marie Marwijk plapperte weiter munter an Julies Seite. Julie wusste nicht, ob ihr das möglich sein würde. Was hieß in diesem Land wohl Nachbarin ? Musste Julie vielleicht eine umständliche Flussreise antreten, um zu ihr zu kommen? Oder bedeutete Nachbarin , dass es von Rozenburg aus einen Landweg gab? Würde Karl überhaupt erlauben, dass sie die Frau besuchte? Nett schien sie ja zu sein. Wie sie wohl zu Martina stand? Vielleicht hatte sie ja selbst Töchter, die ...
    Alles in allem warf jede neue Bekanntschaft mehr Fragen auf, als dass sie Antworten brachten. Bald schwirrte Julie der Kopf. Sie beschränkte sich auf regelmäßiges, freundliches Nicken und kurze, höfliche Kommentare. Sie war erschöpft, aber auch froh, dass die Damen ihr recht wohlgesinnt schienen. Jede bekundete Interesse an ihr, und sie hatte auch bereits mehrere Einladungen zu Kaffeestunden erhalten. Sie wusste zwar nicht, ob sie allen nachkommen können würde, aber es wäre unhöflich gewesen, sie auszuschlagen. Julie konnte die vielen neuen Namen unmöglich alle behalten und bezweifelte, dass sie die Frauen wiedererkennen würde. Sie vertröstete die Damen mit dem Hinweis darauf, dass sie zunächst erst einmal die Plantage kennenlernen und sich häuslich einrichten wollte. Woraufhin ihre neuen Bekanntschaften sie mit Ratschlägen überschütteten, wie es sich auf einer Plantage am besten aushalten ließ. Der Abend schien kein Ende nehmen zu wollen.
    Martina hatte sich während des gesamten Empfangs von ihr ferngehalten und sobald Julie Blickkontakt mit ihr aufgenommen hatte, linkisch etwas zu einer Frau an ihrer Seite geflüstert. Julie hätte zu gerne gewusst, wer diese Frau war. Gehörte sie zur Familie? War sie eine Freundin Martinas? Sie schien sich zumindest nicht so für Julie zu interessieren, oder besser gesagt, sie bedrängte Julie nicht so wie die restlichen Damen, warf ihr aber dennoch ab und zu einen neugierigen Blick zu.
    Julie fand kaum Zeit zum Durchatmen, bereits am nächsten Morgen wies Karl sie an, sich am Nachmittag herzurichten – sie hätten noch etwas zu erledigen, und sie solle packen, da sie am folgenden Tag zur Plantage aufbrechen würden.
    »Wo ist denn Martina?«, fragte Julie zaghaft. Sie hatte das Mädchen heute noch nicht gesehen, sie schien nicht im Haus genächtigt zu haben und am Frühstückstisch waren nur zwei Plätze eingedeckt.
    Karl gab ein verächtliches Schnauben von sich. »Sie zieht es vor, bei ihrer Tante zu wohnen. Martina bleibt noch ein paar Tage in der Stadt.«
    Tante? War das vielleicht die Frau, mit der sie gestern beisammengestanden hatte? War sie vielleicht gar Karls Schwester? Nein, Julie hatte keine Ähnlichkeiten erkennen können. Vielleicht war es ja die Schwester von Martinas leiblicher Mutter Felice? Sie traute sich nicht, weiter danach zu fragen, aber so musste es sein. Folgsam sorgte sie im Verlauf des Tages dafür, dass ihre Abreise aus der Stadt vorbereitet wurde. Viel hatte sie allerdings nicht zu erledigen. Foni verstaute Julies Sachen sorgsam in den Koffern.
    Karl kam am frühen Nachmittag. »Bist du fertig?«
    Julie nickte und folgte ihm nach draußen. Dort stand wieder eine Mietdroschke bereit.
    Sie fuhren durch die Straßen von Paramaribo, und Julie schaute sich aufmerksam um. Alles ähnelte dem, was sie aus Europa kannte, war andererseits aber doch fremd. Sie fuhren durch Alleen wie in der Heimat, aber die Bäume trugen ganz

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