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Im Land der Orangenbluten

Im Land der Orangenbluten

Titel: Im Land der Orangenbluten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: belago
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ursprünglich aus Frankreich. Mein Vater war gebürtiger Niederländer.«
    »Oh! Da sind Sie ja ... sozusagen international aufgewachsen.«
    Er lachte kurz auf. » Oui ... Ja, es war manchmal nicht einfach mit meinen Eltern, jeder wollte mir seinen Stempel der Herkunft aufdrücken. Obwohl sie selbst eigentlich aus diesem Land stammten und ihre jeweilige Heimat nur von kurzen Reisen kannten. Aber Tradition wird durchaus gepflegt hier in Surinam, aus welcher Ecke Europas man sie auch mitgebracht haben mag.«
    Julie war erstaunt ob so viel Offenheit, schließlich kannten sie sich gar nicht, und schon sprach er ohne Umschweife von seiner Familie. Julie war die Gesellschaft dieses Mannes nicht unangenehm, er war immerhin ganz anders als die zumeist ältlichen Gäste, die sonst auf der Plantage Halt machten.
    »Ich habe leider noch nicht viel Kultur hier erlebt, ich bin noch nicht oft von der Plantage heruntergekommen. Obwohl sich das mit dem Stadthaus ja eigentlich des Öfteren anbieten würde ... Nun ja, mein Mann ist zumindest einmal die Woche in der Stadt. Leben Sie in Paramaribo?«
    Er nickte. »Ja, mittlerweile schon. Früher hatten meine Eltern auch eine Plantage, oben am Fluss Para, aber sie war mit der Zeit zu klein, um dort noch wirtschaften zu können.« Nachdenklich schaute er in Richtung Fluss. »Mein Vater hätte es wohl gerne gesehen, wenn eines seiner Kinder seine Nachfolge angetreten hätte, aber die Zeit war gegen ihn.«
    »Sie haben noch Geschwister?«
    »Ja, eine Schwester, sie ist verheiratet und lebt nun in Nordamerika. Mein Bruder starb leider vor ein paar Jahren.«
    »Oh, das tut mir leid.« Julie war ehrlich betroffen.
    Er schüttelte den Kopf. »Er war viel älter als ich, ich war ein Nachzügler damals, ich kannte ihn kaum.«
    »Und Ihre Eltern? Leben sie noch in Surinam?«
    Riard schüttelte wieder den Kopf, senkte aber diesmal den Blick. »Nein, sie sind beide verstorben«, sagte er stockend. »Sie zogen in die Stadt, nachdem sie die Plantage aufgegeben hatten, aber ich glaube, recht verwunden haben sie diesen Verlust nie. Immerhin war die Plantage seit vier Generationen in der Hand der Familie meines Vaters gewesen.« Er stieß einen leisen Seufzer aus. »Dieses Land verändert sich ... und vielen Älteren fällt es ungemein schwer, sich damit abzufinden.« Als er den Kopf wieder hob, traf sein Blick den von Julie – und einen kurzen Moment erschien es ihm, als würde die Zeit stillstehen.
    Dann brach Nico mit einem kurzen Krächzen den Bann.
    Sichtlich verlegen besann der Buchhalter sich auf seine Papiere. Ausgerechnet jetzt, wo er Leevkens junger und äußerst liebreizender Frau gegenübersaß, musste er die Ausgaben des zweiten Stadthauses verrechnen. Wie beiläufig schob er die Papiere übereinander. Ob sie wohl wusste, dass ihr Mann seit langem eine surinamische Ehe führte?

Kapitel 9
    In den letzten Wochen war Julies Leben auf der Plantage in einem ewigen Gleichmaß verlaufen, bis auf den Besuch von Jean Riard, der eine erfreuliche Abwechslung geboten hatte. Nun aber warfen bestimmte Ereignisse ihre Schatten voraus. Julie hatte eigentlich gedacht, jetzt, zum Ende des Monats Juli, wo Regenzeit war und tagtäglich mindestens einmal ein unwetterartiger Regenguss auf die Erde niederging, würde es auf der Plantage noch langweiliger werden. Aber sie hatte sich getäuscht. Zum einen trieb Karl die Arbeitssklaven zu den Neuanpflanzungen hinaus, da sich die Zuckerrohrpflanzen im feuchten Boden am besten setzen ließen, wie Amru ihr verriet. Aber es lag noch etwas in der Luft, Julie hatte bereits seit einigen Tagen eine gewisse Unruhe im Haus bemerkt. Karl war angespannt und noch wortkarger als sonst. Er verzichtete auch auf seinen wöchentlichen Stadtbesuch und brach früher als gewohnt zu seinen Kontrollritten über die Felder auf.
    »Der Mond wird voll«, antwortete Amru auf Julies Frage, was los sei, und zuckte mit den Achseln. »Die Ernte steht wieder bevor.«
    Was die Sache mit dem Mond und der Ernte genau auf sich hatte, wusste sie nicht. Bisher hatte sie noch nicht viel über die Bewirtschaftung der Zuckerrohrfelder erfahren. Karl hatte ihr auf ihre Bitte hin barsch bedeutet, er halte es nicht für nötig, sie darüber zu informieren, Frauen bräuchten sich nicht damit zu befassen. Bisher war Julie auch seiner Anweisung gefolgt, an den Erntetagen im Haus zu bleiben. Und bei ihren wenigen Besuchen im Sklavendorf hatte sie nicht viel erfahren können. Die Sklaven hielten sich ihr

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