Im Land der Orangenbluten
erwachte eine gewisse Sehnsucht in ihr, die sie nicht ganz zu deuten vermochte.
Insbesondere einer der jungen Männer, er mochte wohl zwei oder drei Jahre älter sein als sie selbst, zog ihre Blicke magisch an. Er hatte kräftige Schultern und starke Arme, auf seiner Brust erkannte Kiri im Schein der Flammen rituelle Tätowierungen und perlenartige Narben, die im gespenstischen Licht des Feuers und unter dem geschmeidigen Muskelspiel des Tänzers fast lebendig erschienen, wie Schlangen, die sich um seine Brust wanden.
Für einen kurzen Moment traf der Blick des Tänzers Kiris, wobei sie nicht genau zu sagen vermochte, ob er sie wirklich angesehen oder im Wahn des Tanzes nur einfach zufällig in ihre Richtung geschaut hatte. Ihr Herz schien in diesem Moment kurz auszusetzen.
Der Tanz endete mit einem kehligen Ruf, sofort verstummte auch der Gesang. Jenk, in seiner Funktion als Schamane, besprenkelte die Tänzer mit einer Flüssigkeit, die in der Nähe des Feuers gleich auf der erhitzten Haut der Tänzer zu verdampfen schien. Dann ertönten nochmals drei Trommelschläge, und der Zauber war vorbei. Die Sklaven erhoben sich und wanderten wieder Richtung Dorf, einige Männer schaufelten Erde auf das Feuer, um es zum Erlöschen zu bringen. Morgen würde nichts mehr daran erinnern, was hier des Nachts auf dem Feld stattgefunden hatte.
Kiri eilte hinter Amru her. Vor ihrem inneren Auge erschienen immer noch das lodernde Feuer und der geschmeidige Körper des Tänzers.
Am nächsten Morgen, als sie in ihrer Hängematte erwachte, dachte sie zunächst, es wäre ein Traum gewesen. Doch die kleinen Schwellungen an ihren Beinen erinnerten sie schmerzvoll an den Gang durch das Zuckerrohr. Es war kein Traum gewesen. Wer war dieser Tänzer, der ihr in der vergangenen Nacht den Atem geraubt hatte?
Kapitel 12
Julie hatte sich gut von ihrem Fieber erholt. Amru beruhigte sie zudem, viele Einwanderer hätten am Anfang mit dem Fieber zu kämpfen. »Das macht die Wärme«, kommentierte sie und wies Julie an, sich noch ein bisschen zu schonen.
Karl und Martina waren in die Stadt gereist. Ihren Mann erwartete sie erst am übernächsten Tag zurück, und Martina sollte, oder besser gesagt wollte, einige Zeit bei ihrer Tante verbringen. Julie war dies ganz recht. Martina hatte ihr mehrmals berichtet, sie habe gehört, dass in letzter Zeit wieder recht viele Einwanderer am Fieber gestorben seien. Ihre Stimme klang höhnisch, und Julie meinte, in ihrem Blick eine gewisse Hoffnung zu erkennen, Julie könnte es genauso ergehen. Anstand war auf jeden Fall etwas, das Martina bisher nicht erlernt hatte. Julie wusste, dass Martina sie nicht ausstehen konnte, aber dass sie sich Julie so offensichtlich wegwünschte ...
Julie ärgerte sich darüber, schließlich hätte Martina zumindest etwas guten Willen zeigen können, um sich mit ihr gut zu stellen. Andererseits beruhigte Julie sich mit dem Argument, Martina sei wahrscheinlich eifersüchtig, dass ihr Vater nun wieder eine Frau an seiner Seite hatte.
Julie fühlte sich ohne Karl und Martina auf der Plantage wesentlich wohler. Sie hatte das Gefühl, frei atmen zu können und nicht ständig auf der Hut sein zu müssen.
Seit dem Vorfall bei der Zuckermühle wachte Karl darüber, Julie nicht zu viel Freiraum gegenüber den Sklaven zu gewähren. Hielt sie sich länger als nötig bei den Sklaven auf, oder erwischte Karl sie bei einem Plausch mit ihnen, herrschte er sie an, das sein zu lassen. Julie nickte dann immer ergeben, murmelte eine Entschuldigung und ging davon. Besser, sie ließ sich mit Karl auf keine Diskussion ein.
Aber Karl hatte anscheinend seine Aufseher angewiesen, während seiner Abwesenheit ein Auge auf Julie zu haben. Als sie mit Amru auf der hinteren Veranda stand und sich einige Zubereitungsvarianten der kassave erklären ließ – es war Julie immer noch nicht geheuer, dass diese Knolle eigentlich giftig war, aber nach der Bearbeitung durchaus vielseitig verwendbar schien –, warf Amru einen vielsagenden Blick in Richtung eines Basya, der auf seinem Weg zum Sklavendorf seine Schritte verlangsamte, als er Julie erspähte. Julie grollte. Durfte sie sich nicht mehr frei bewegen? Was wollte Karl denn? Dass sie sich wie eine Wachspuppe auf einen Stuhl setzte und sich nur auf Abruf bewegte? Das wäre ihm wahrscheinlich am liebsten gewesen.
Julie aber dachte nicht daran, sich in ihrer Freiheit einschränken zu lassen. Sie war froh, dass die Regenzeit endlich vorüber war und sie sich
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