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Im Land der Regenbogenschlange

Im Land der Regenbogenschlange

Titel: Im Land der Regenbogenschlange Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Altmann Andreas
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     einem leichten Herzen.« Weiser konnte der Briefkastenonkel nicht hellsehen. Kichernd und glücklich lande ich tot im Bett, ganz einverstanden mit zehn dreckigen Fingern und zehn dreckigen Zehen.
    Am nächsten Tag muss ich umziehen, wieder ein Bett suchen. Das findet sich, wenn auch erst nach Hinterlegung einer Summe, für die man am Times Square in New York nächtigen könnte. Ich frage an der Rezeption, warum die Zimmer so teuer sind. Wortlos reicht man mir die Lokalzeitung. Bereits auf Seite eins steht die Antwort: »Showtime!« Diese Tage gehören den australischen Schweinen, die hier ihre Meisterschaften austragen. Das Volk strömt, gestern hat Schweinchen Maggie einen Weltrekord in pig diving aufgestellt, aus genau vier Metern Höhe plumpste es in ein Wasserbecken. Leider nicht anerkannt, »da kein offizieller Vertreter vom Guinness Book of Records anwesend war«. So bleibt die Bestmarke weiterhin in den Klauen von Miss Piggy, 2005 schaffte sie universal anerkannte 3 Meter und 33 Zentimeter.
    Ist das nicht eine ungemein belustigende Vorstellung: Mister O'Reilly (oder wie immer er heißen mag) besteigt in London ein Flugzeug, um im 16 000 Kilometer entfernten Darwin die Rekordversuche zart rosafarbener Ferkel zu überwachen. Warum O'Reilly diesmal nicht eintraf, steht leider nicht da. Möglicherweise mampften zur gleichen Zeit in Albuquerque der Welt begnadetste Fresssäcke um die Wette. Um den Hot-Dog-Champion ausfindig zu nachen. Der Zeitungsleser bleibt ratlos, eine gewichtige Information fehlt.
    Mein Blick fällt noch auf die daytime specials , der Textbalken steht neben einem lasziv offenen Mund. Ah, hier machen die zartrosigen Damen aus der Umgebung auf sich aufmerksam: »No introduction, but immediate action«, bieten sie an, herzlos übersetzt: Sofortige Penetration! Da auch Darwin irgendwie zum Outback gehört, entspricht das Angebot dem rustikalen Ton der Gegend. Lieber kein Raffinement, lieber rein-raus-peng.
    Der Tag wird ein Erfolg. Ich gehe – vorbei an Banken, in denen sie mit nackten Oberkörpern Schlange stehen – ins Museum & Art Gallery of the Northern Territory . Dieser Besuch ist Pflicht, denn am 24. 12. 1974 kam Cyclone Tracy über die Stadt. Mit Windspitzen von über 280 km/h. Von den 11 200 Häusern blieben knapp 400 intakt. Der Rest flog davon oder blieb als Schrotthaufen zurück. Ich will immer wissen, wie Leute unter Extremsituationen reagieren. Und in dem Gebäude, das elegant nahe dem Indischen Ozean liegt, gibt es eine sound booth , in der die Originalaufnahme eines Tapferen abgespielt wird, der in dieser Nacht die Nerven bewahrte und ein Mikrofon in den Sturm hielt. Das ist eine psychedelische Erfahrung. Vor der Tür wird noch schriftlich gewarnt, dass Leute, die bei der Katastrophe anwesend waren, beim Wiederhören unter Umständen die Fassung verlieren.
    Man betritt ein schwarzes Loch, steht inmitten totaler Dunkelheit und totaler Stille und – genießt. Jene Geräusche, die irgendwann anfangen und von irgendwoher kommen und nicht sofort identifizierbar sind: ein wildes, bald wahnsinniges Fauchen, ein Reißen, als ob ein Ungeheuer an Land steigt und mit rasendem Zorn die Dächer von den Häusern fetzt. Und nichts stellt sich ihm entgegen, man hört keine Stimmen, keine Schreie, keine Flüche, kein Hilfegebrüll, nur die fauchende Bestie, die für eine Stunde die Welt heimsucht. Es gibt keine Filmaufnahmen von diesem etwas anderen Weihnachtsabend. Gut so, das Erlebnis in dieser Ton-Bude ist dadurch entschieden intensiver. Denn zum Geräusch-Terror dreht sich jeder Zuhörer im Kopf seinen eigenen Film. Man dreht ihn und verlässt hinterher dankbar die Folterkammer, einmal mehr froh, dass es die anderen erwischt hat und nicht einen selbst.
    Das war eine fabelhafte Zeit für die Medien. Die am nächsten Morgen wie Schmeißfliegen über die Stadt herfielen. »Doomsday« titelten sie, panaustralische Epidemien wurden prophezeit, Hungersnöte, ja ein Bürgerkrieg drohte, das Volk gegen die korrupten Politiker und hundsgemeinen Bauherren, die nicht gebaut, nur geschludert hatten. Von all dem nichts, die 66 Toten wurden begraben, der Schutt weggekarrt und die Häuser wieder aufgebaut. Jetzt cycloneproof , leider, denn nun stehen die meisten Gebäude wie Kraut und Rüben in Beton gegossen herum und keine Katastrophe ist mehr imstande, sie wegzublasen.
    An den

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