Im Land der Sehnsucht
vertrauliche Geste sie erschreckt. „Ich spreche nicht über meinen Vater, weil ich davor Angst habe, dass er dann falsch beurteilt wird. Er war ein wunderbarer Mensch, doch der Verlust meiner Mutter hat ihm die Lebensfreude genommen. Dass er trotzdem fähig war, noch einmal eine Verbindung einzugehen, wird mir immer rätselhaft bleiben. Wahrscheinlich hat sich Rileys Mutter, die halb so alt war wie er, ihm an den Hals geworfen, so etwas kommt häufiger vor. Ich sagte ja schon … mein Vater war ungewöhnlich attraktiv.“
Holt sah sie nachdenklich an. „So war es also.“
„Ja.“ Marissa hielt seinem Blick stand.
„Und diese Frau hat Riley verlassen?“ Holt zweifelte nicht länger an Marissas Aufrichtigkeit. „Wann war das?“
Marissa erzählte weiter, und als sie ihre Geschichte beendete, wirkte sie so verstört, dass Holt sie am liebsten umarmt und fest an sich gedrückt hätte. Doch dann hätte er sich ganz sicher nicht weiter beherrschen können.
„Denken Sie an die Kinder, Marissa“, mahnte er sanft. „Sie dürfen nichts von Ihrem Kummer merken.“
„Danke, dass Sie mir zugehört haben.“ Sie fuhr sich mit dem Handrücken über die Augen und lächelte herzzerreißend. „Ich weiß jetzt, wie sich Katholiken nach der Beichte fühlen.“
Ich bin aber kein Priester, dachte Holt, der weiter gegen sein Verlangen ankämpfte. „Warum verbieten Sie Riley nicht, Sie ‚Ma‘ zu nennen?“
„Weil das nicht so einfach ist. Jedes Kind wünscht sich eine Mutter, da bildet Riley keine Ausnahme.“
„Trotzdem müssen Sie darauf bestehen, dass er Sie Marissa nennt. Eine zu starke Abhängigkeit von Ihnen wäre nicht gut für ihn. Für Sie übrigens auch nicht … wenn Sie Wert darauf legen, dass die Leute Ihre Geschichte glauben. Soll ich einmal mit ihm sprechen? Das könnte dem Anliegen mehr Gewicht verleihen. Riley und ich verstehen uns ganz ausgezeichnet.“
Das glaubte Marissa ihm aufs Wort. Holt McMaster war längst Rileys heimlicher Held. „Ich rede selbst mit ihm“, sagte sie und fügte nach einer Pause hinzu: „Sehen Sie mich jetzt, nachdem Sie meine Geschichte kennen, in einem anderen Licht?“
„Nein“, versicherte Holt.
„Der Gedanke, ich könnte ein uneheliches Kind haben, hat Sie nicht erschreckt?“
„Wo denken Sie hin!“ Es hätte gewiss nicht seinen Wünschen entsprochen, aber auch kein echtes Hindernis dargestellt. „Es imponiert mir, wie tatkräftig und selbstlos Sie die Erziehung Ihres Halbbruders übernommen haben. Das hätten wenige Frauen in Ihrem Alter getan. Halten Sie es für möglich, dass Rileys Mutter noch einmal auftaucht?“
Marissa schüttelte den Kopf. „Wir haben alles getan, um sie ausfindig zu machen. Vermutlich ist sie in ihre Heimat zurückgekehrt … auf irgendeine Insel in der Südsee. Sie wollte Riley nicht und misshandelte ihn sogar gelegentlich. Ich habe das vorhin nicht erwähnt.“
„Oh nein!“, stöhnte Holt und dachte daran, wie Tara mit Georgina umgegangen war. Das Schlimme waren nicht die Ohrfeigen, sondern die ständigen Demütigungen gewesen.
„Vielleicht frage ich Sie eines Tages nach Ihrer Geschichte“, sagte Marissa, für die es ans Wunderbare grenzte, wie schnell sich zwischen ihr und Holt ein Vertrauensverhältnis entwickelt hatte. „Es könnte mir sehr beim Umgang mit Georgy helfen. Ich weiß, was ein Verlust für einen Menschen bedeuten kann.“
„Georgy vermisst ihre Mutter nicht“, erwiderte Holt. „Sie hat aber eine Wunschvorstellung, wie ihre Mutter zu sein. Tara wollte kein Kind, das hat Georgy natürlich gespürt. Sie gehört zu den Frauen, für die ein Kind den Verlust der persönlichen Freiheit bedeutet. Daher war an eine Fortsetzung unserer Ehe nicht zu denken.“
„Das klingt hart“, stellte Marissa fest. „Sind Sie ein harter Mann, Holt?“
„Unbedingt.“
Marissa sah ihn durchdringend an. „Das glaube ich nicht.“
„Versuchen Sie nicht, mich zu analysieren, Miss Devlin“, warnte er sie. „Weil es zu anstrengend wäre?“
„So ungefähr.“ Dann wechselte Holt abrupt das Thema. „Ich habe Sie bisher noch nicht reiten sehen.“
Marissa lächelte, unschuldig und verführerisch zugleich. Sie war wirklich eine bemerkenswerte Frau. „Muss ich erst den Beweis antreten, dass ich dazu in der Lage bin, um ein gutes Pferd zu bekommen?“
Holt nickte. „So ist es. Wenn Sie morgen früh genug aus dem Bett finden, könnten wir uns bei den Ställen treffen und zusammen ausreiten.“
„Oh!“ Marissa war
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