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Im Land der tausend Sonnen

Titel: Im Land der tausend Sonnen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Shaw
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Die ganze Nacht über blieb der Dingo bei ihm, hielt ihn warm, tröstete ihn. Am Morgen war er fort, und ein Aborigine-Viehtreiber stand über ihm. Lukas hörte ihn über die Schulter zurückrufen:
            »Es steht nicht zum Besten um ihn, Yarrupi. Ihn fortzuschaffen, wird nicht einfach sein.«
            Lukas streckte die Hand nach ihm aus, versuchte zu sprechen, doch wieder spürte er seine Zunge wie einen harten pelzigen Klumpen in seinem Mund. Als er sie bewegte, glaubte er, Blut zu schmecken, von seinen rissigen, wunden Lippen. Krächzende Töne kamen aus seiner ausgedörrten Kehle, doch sie verstanden.
            Sie brachten ihm Wasser, ließen es in seinen Mund und über sein Gesicht tröpfeln. Die Zeit verging. Sie trugen ihn irgendwo hin … zu fließendem Wasser … an einen Bach, und sie kümmerten sich mit unendlicher Geduld um ihn, als hätten sie alle Zeit der Welt, und Lukas hatte Angst, dass es wieder dunkel wurde und sie ihn allein ließen. Sie hatten Schmutz und Asche von seinem Gesicht gewaschen, das wusste er. Und sie hatten etwas mit seinem Bein angestellt, hatten es festgebunden, und auch wenn es noch schmerzte, es fühlte sich nun etwas besser an.
            Er glaubte, sich zu erinnern, dass sie ihn mit einer Flüssigkeit, die sich wie Pflanzensaft anfühlte, abgerieben hatten, wahrscheinlich wegen der Ameisenbisse, und er verstand nicht, wozu das gut sein sollte. Hatte ihn denn eine Ameise gebissen? Er begriff nicht, was ihn an diesem Gedanken so störte. Er hatte ein gebrochenes Bein. Warum unternahmen sie dagegen nichts? Und er hatte Hunger. Mörderischen Hunger. Lukas packte den Mann namens Billy am Arm und bat ihn, ihm sein Pferd zu holen.
            »Ich muss jetzt los«, sagte er, und Billy nickte.
            »Was hat er gesagt?«, fragte Yarrupi in der Sprache der Eingeborenen.
            »Keine Ahnung. Er ist nicht bei sich. Wir müssen ihn zum Fluss hinuntertragen. Ich schätze, er ist schon seit Tagen hier draußen, der arme Kerl.«
            »Bringen wir ihn in unser Lager?«
            »Nein. Am besten übergeben wir ihn so schnell wie möglich den Weißen. Hilf mir, ihn zum Kanu zu bringen, dann fahre ich ihn den Fluss hinunter.«
            »Sei sehr vorsichtig auf dem Fluss, Billy. In dieser Jahreszeit gibt es nicht viel Nahrung. Das Gongoravolk ist hungrig.«
            Billy war zu schüchtern, um Yarrupi zu erzählen, was mit seinem Leben vor sich ging. Er verriet nicht einmal die kleinen Dinge, die Tibbaling ihm beibrachte. Sie alle wussten, dass Tibbaling ein Mann mit sehr großer Macht war, aber keiner, wirklich keiner, hatte auch nur die geringste Ahnung vom Ausmaß dieser Macht. Diese Macht erstreckte sich nicht auf die augenfälligen Dinge, sondern auf die Geistesarbeit, wie Tibbaling es nannte, Geistesarbeit, die lange, lange Stunden intensivster Konzentration erforderte … zu viel, um jetzt auch nur daran zu denken. Doch der Dingo hatte ihn hierher geführt. Wie sollte er Yarrupi erklären, dass er den Weg mit den Augen des Dingos gegangen war, bis er ihn an der Seite des Mannes namens Lukas gefunden hatte? Und sobald er und Yarrupi Lukas erreicht hatten, war der Dingo verschwunden.
            Doch Billy wusste wohl, dass er im Kanu in Sicherheit sein würde. Tibbaling hatte Warrichatta geschickt, der ihn begleiten und vor dem Monster Gongora und seinem Stamm, dem man nicht trauen konnte, beschützen sollte. Selbst die weißen Männer mit ihren Gewehren fürchteten die Krokodile, wie sie sie nannten, und dazu hatten sie allen Grund.
            Am Fluss brachte Mia, die Jakobs Kuh gehütet hatte, Milch für Lukas und ließ nicht zu, dass sie ihm jetzt schon feste Nahrung gaben.
            »Der arme Mann«, sagte sie. »Er ist sehr krank. Seht euch dieses schlimme Gelb an. Bring ihn schnell fort, Billy. Und komm bald einmal wieder zu uns.«
            Billy legte seiner Schwester den Arm um die Schultern. »Ich komme heim, sobald ich kann. Gebt ihr bitte Acht auf Jakob. Er ist auch mein Freund. Das hat Tibbaling bewirkt.«
            »Tibbaling bewirkt viel zu viel«, sagte sie gereizt. »Er sollte dich nach Hause zu deiner Familie schicken.«
            Als Lukas sicher auf dem Boden des Kanus untergebracht war, lenkte Billy es in die Strömung hinein und ließ sich flussabwärts treiben. Neidisch blickte er sich nach Mia und Yarrupi um. Wie viel einfacher könnte

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