Im Land der tausend Sonnen
schwerfälligen Wagen vorbeiflitzten, und die Fußgänger wirkten so bunt und fröhlich wie in den Hamburger Parks zur Sommerzeit. Die Herren trugen helle Anzüge, um die sie der Vikar mit seinem schwarzen Rock und dem schwarzen Hut glühend beneidete.
Die Damen waren eine helle Freude, ein buntes Gemisch von Farben mit luftigen Hüten und Rüschen aus Mousselin und Gingham und Voile mit kühnen Schärpen, die den Königlichen Dragonern Ehre gemacht hätten. Adele wird Acht geben müssen, dachte er. Er bemerkte aber auch die klobigen schwarzen Stiefel an ihren vermutlich zierlichen Füßchen, was einen Blick zum grau bewölkten Himmel nach sich zog. Stiefel zu Sommerkleidern! Zweifellos kannten sie die Wetterverhältnisse sehr gut, sonst wäre dieser sündhafte Stilbruch unerträglich gewesen. Selbst hier.
Zum Mittagessen entschied er sich für das Britannia, ein mäßig teures Hotel. Man führte ihn zu einem unauffälligen Tisch mit Blick über den Fluss und entschuldigte sich dafür, dass es keinen Fisch mehr gab.
»Das ist schade. Man hat mir Ihren Fisch so warm empfohlen …«
Der Koch, ausgerechnet ein Chinese, tauchte aus seiner Küche auf, murmelte tief empfundene Entschuldigungen und bestätigte mit hoher schriller Stimme, dass sein Fisch tatsächlich der beste sei, aber nicht heute. Er krümmte sich unter seinen Entschuldigungen, während eine Witwe im schwarzen Kleid mit großer Diamantbrosche in der Nähe stand und den Wert seiner Beteuerungen einzuschätzen suchte. Dann trat sie einen Schritt vor.
»Entschuldigen Sie, Herr Pastor, sind Sie von St. John's?«
»Ja, das bin ich«, sagte er, beeindruckt von seiner Fähigkeit, sich zu erinnern, dass die Gemeinde von Bundaberg sich St. Johannis nannte, doch war das offenbar nicht allein ein glücklicher Zufall. Er erfuhr schon bald, während sie schwatzte und ihm auf Kosten des Hauses ein Wein serviert wurde, so schwer, dass er ihn fast aus den feuchten Socken gehauen hätte, dass St. John's der Name der geplanten Kathedrale der Kirche von England in dieser Stadt war. Eines schönen Tages … sagte er zu Freddy. Für ein ruhiges Leben und einen guten Wein tat er alles.
Der Chinese selbst brachte ihm als Ersatz für den Fisch Lammrücken. Köstliches, exzellentes, herrliches Lamm mit einer schmackhaften dicken Zitronensoße und einer Terrine voll gedünstetem Gemüse. Dazu wurden ihm neuerliche Entschuldigungen serviert, und er nahm sie überaus gnädig entgegen.
Sie hätten ihm auch Kutteln servieren können. Sie hätten ihm Schweinsfüße oder Ochsenschwanz vorsetzen können, ihm wäre doch das Wasser im Mund zusammengelaufen. Alles war besser als der Schlangenfraß, den er auf dem Schiff hatte ertragen müssen, jedenfalls unten in den niederen Klassen. Bevor er ging, bedankte er sich beim Koch. Das war ihm wichtig. Er wäre fast an seinem Lachen erstickt, als er dem eifrigen Chinesen ein zusammengefaltetes lutherisches Heftchen in die Hand drückte.
Als die Hoeppers an Bord der Tara gingen, hatte der Vikar sich bereits in einer Kabine der ersten Klasse eingerichtet, sein Gepäck verstaut. Er riss sich zusammen, um nicht in dem sehr kleinen, gut ausgerüsteten Salon herumzulungern, der auch als Speisesaal diente. Er beschloss, Brisbane für schlechte Zeiten in Erinnerung zu behalten, für den bisher nur erfundenen Percy Buckingham, den berühmten Schauspieler, denn die Stadt gefiel ihm. Doch vor ihm lagen, so ermahnte er sich, eine lebenslange Aufgabe und ungezählte Möglichkeiten, Geld zu scheffeln, und deshalb durfte Brisbane ihm im Augenblick nicht mehr bedeuten als eine interessante Kulisse.
Er saß mit dem Kapitän, den Hoeppers und zwei Ehepaaren zu Tisch, die, wie er erfuhr, riesige Schafzuchtfarmen besaßen. Es waren entzückende Leute, und sie luden die deutschen Reisenden zu sich ein, damit sie das Land besser kennen lernten. Friedrich interessierte sich nicht für das Land, geschweige denn für Farmen, doch es handelte sich augenscheinlich um reiche Leute, und deshalb versprach er, genau wie Hoepper, zu gegebener Zeit der Einladung Folge zu leisten.
Am Abend gelang es ihm, Adele »zufällig« an Deck zu treffen und mit ihr spazieren zu gehen, und es war die pure Freude. Zwar berührte er sie nicht ein einziges Mal, doch auf seine ihm eigene Art zeigte er
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