Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Im Land der tausend Sonnen

Titel: Im Land der tausend Sonnen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Shaw
Vom Netzwerk:
gehalten. Es wirkte provisorisch, so, als könnte ein mäßiger Wind es umpusten. Jenseits der Koppel jedoch befand sich eine Art Straße, und Jakob ging hin, um sie sich anzusehen. Als Erstes erblickte er ungefähr ein Dutzend Ziegen, die ziellos umherwanderten. Die Straße säumten lediglich ein paar weitere schlichte Holzhäuser, sämtlich unverputzt, die einen Laden, ein Telegrafenamt, einige Werkstätten und weiter unten einen Polizeiposten beherbergten. Dazwischen lagen unbebaute, ungepflegte, mit dürrem Gras und dünnen Bäumen bestandene Flächen. Er sah ein Paar in einem offenen Wagen vorbeifahren, die ihr Gefährt ohne die geringste Gemütsbewegung über die holprige Straße manövrierten. Die beiden winkten ihnen zu.
            Ein paar Ziegen näherten sich grasend und kauend und musterten die Neuankömmlinge mit unmissverständlichem Hochmut.
            Karl trat neben seinen Vater. »Wo ist die Stadt, Papa?«
            Es war Frieda, die ihm antwortete, mit geschürzten Lippen und kaltem Ton. »Das hier ist sie, glaube ich. Wie ich höre, sehen wir hier die Quay Street, und dahinter liegt die Burbong Street.«
            »Vielleicht ist die nächste Straße belebter«, sagte Jakob hoffnungsvoll.
            Offenbar war der Zollbeamte nicht zugegen, und an seiner Stelle wurden sie von einem Polizisten in Empfang genommen, der sich als Constable Colley vorstellte. Er trieb die deutsche Gruppe zusammen und führte sie die Straße hinab zu einem lang gestreckten, niedrigen Steingebäude.
            »Das sind die Baracken für die Einwanderer. Sie können hier wohnen, bis Sie Fuß gefasst haben. Dort drüben unter den Bäumen haben die Damen unserer Stadt den Nachmittagstee für Sie vorbereitet, denn wir möchten, dass Sie sich in unserer kleinen Stadt willkommen fühlen, und wir hoffen, dass Sie hier glücklich sind.«
            Das hatten sie nicht erwartet, doch Beitz, dem die Anstrengung der Reise anzusehen war, zeigte sich der Situation gewachsen. Er trat vor und dankte dem Constable, während er an seiner Seite zu den Damen an den hübsch gedeckten Tischen ging.
            Karl Meissner wartete die Ansprachen nicht ab; er entfernte sich heimlich, um sich die Stadt genauer anzusehen. Er eilte die Quay Street hinunter, fand aber lediglich noch einen Laden, eine Metzgerei, einen Schnapshandel und ein kleines Hotel. Hinter der Wegbiegung lagen ein paar winzige Häuschen und Ställe und die unvermeidliche Schmiede, danach stieß er auf die breite Burbong Street, die sich kaum von den anderen Straßen unterschied – noch so eine provisorische, unordentliche Straße und eine weitere Ansammlung unansehnlicher Geschäfte mit hässlichen Markisen. Er sah mehrere Pferde, die an Stangen angebunden träge warteten, und ein paar Leute standen herum, doch sie kamen ihm so unwirklich vor wie Menschen auf einem Gemälde.
            Fassungslos schüttelte er den Kopf. Das war keine Stadt, das war weiter nichts als ein Barackenlager, ein schäbiges Nest ohne ein Zeichen von Dauerhaftigkeit. Karl war schockiert. Er hatte mit schönen Häusern, tropischen Gärten und sich wiegenden Palmen gerechnet, mit einer traditionellen ländlichen Siedlung, die nur dank des Klimas exotischer war als die ihm bekannten Dörfer in Deutschland. Es war heiß, aber trocken und staubig. Aus seiner Enttäuschung erwuchs zornige Ablehnung, als er zurückeilte zu Tee und Kuchen.
            »Dieser Ort ist scheußlich«, sagte er zu seinem Vater. »Sie haben nicht einmal einen Dorfplatz. Hier gibt es überhaupt nichts!«
            Dann vergaß er, den Mund zu schließen. Aus einer Baumgruppe heraus starrten etwa ein Dutzend Eingeborene und beobachteten sie, Männer und Frauen, und sie trugen nicht einen Faden am Leib!
             
            Nora Stenning und ihre Freunde liebten es, die in den Hafen einlaufenden Schiffe zu begrüßen, besonders, wenn sie Einwanderer brachten, die immer so merkwürdig aussahen, so verwirrt. Vor ein paar Wochen war eine Gruppe Schotten eingetroffen, die Männer in Kilts und die Frauen mit derben, um den Oberkörper gebundenen Tüchern, in denen sie ihre Kinder trugen. Und ihr Vater hatte gesagt, einige von ihnen seien so arm, dass sie leere Koffer bei sich trugen.
            »Warum tun sie das?«, hatte sie gefragt.
            »Stolz.« Er lachte. »Sie möchten sich nicht eingestehen, dass sie nichts

Weitere Kostenlose Bücher