Im Land der tausend Sonnen
Unverschämtheit! Haben Sie die anderen gerettet?«
Sie war einer Ohnmacht nahe. Redete Unsinn. Wusste nicht, was sie sagte, als die Zimmermann-Kinder durch den Türspalt spähten und der Constable sich entschuldigte und versprach, dass so etwas nicht wieder vorkommen würde.
Diese Schwarzen waren keine Aborigines, erklärte der Constable, sondern Kanaken. Südsee-Insulaner, die ins Land geholt wurden, damit sie auf den Zuckerrohrplantagen jenseits des Flusses arbeiteten. Harmlos. Hatten mehr Angst vor ihr als sie vor ihnen.
»Sie sind zur falschen Baracke geschickt worden, das ist alles«, sagte Colley. »Ein Matrose hatte es falsch verstanden. Ihre Baracken liegen ungefähr eine halbe Meile weiter da unten. Am Polizeiposten vorbei. Ein dummer Fehler. Als das Boot anlegte, sah der Matrose Ihr Gebäude und schickte sie hierher.«
»Dummer Fehler!«, schrie Theo. »Wenn verdammte barfüßige Wilde durch unsere Unterkünfte rennen und meine Familie in Angst und Schrecken versetzen!«
»Ich hatte keine Angst«, wandte Eva ein.
»Oh doch«, sagte Frieda. »Du hast es mir überlassen, deine Kinder zu beschützen.«
»Nein. Ich habe sie hier gelassen, damit sie auf dich aufpassen.«
»Tatsächlich?«
»Wie wär's mit einem Frühstück?«, fragte Theo. »Ich komme um vor Hunger. Ist noch was in der Speisekammer?«
»Nur ganz wenig«, sagte Hanni. »Wir müssen dringend einkaufen.«
»Tu das«, sagte ihr Mann. »Und lass es auf die Kirchenrechnung setzen. Noch müssen wir wohl nicht aus eigener Tasche bezahlen.«
Später nahm Frieda sich vor, Hanni nie wieder zum Einkaufen zu schicken. Das dumme Weib hatte zwar Nahrungsmittel gekauft, aber auch ein kariertes Tischtuch, Fächer für die Damen, Tabak für die Männer und einen breitkrempigen Strohhut für sich selbst, mit einem Schleier als Schutz gegen Fliegen, die zugegebenermaßen zahlreich und lästig waren.
Erschöpft von dem morgendlichen Zusammenstoß, überließ Frieda es Eva, Hanni zurechtzuweisen. Sie hatte schon immer den Eindruck gehabt, dass Lukas und Hanni nicht zusammenpassten. Ihnen gemeinsam war ihre Schönheit, und vermutlich war es immer so im Leben, dass zwei von besonderer Art sich fanden, um die eigene Gattung aufzuwerten, denn Lukas war wirklich ein gut aussehender Mann. Groß, dunkel und attraktiv, mit dunkelbraunem Haar, wunderschönen seelenvollen braunen Augen und herrlich langen Wimpern. Frieda erinnerte sich, dass sie zweimal hingeschaut hatte, als sie ihn auf einem der frühen Treffen zum ersten Mal sah. Lukas, knapp dreißig Jahre alt, mit seinem Körperbau und gutem Aussehen, war ein Adonis. Und so war keiner überrascht, als sie seine Frau kennen lernten. Hanni besaß die Schönheit einer Dresdener Porzellanpuppe … aber während Lukas immerhin einen gewissen Stil hatte, fand Frieda Hanni ziemlich gewöhnlich und außerdem flatterhaft.
Dennoch … irgendetwas anderes nagte jetzt an ihr. Der Constable hatte auf Theos Frage hin erklärt, dass die Eingeborenen auf den Zuckerplantagen eingesetzt wurden, weil die Weißen in diesem Klima keine körperliche Arbeit leisten konnten. Angeblich vertrugen die Weißen die Hitze nicht.
Frieda blickte sich bestürzt um. Welche Hitze? Das Wetter war herrlich, sonnig und mild, ein wunderbarer Tag. Und was war der Unterschied zwischen der Arbeit auf einer Farm und der auf einer Plantage? Ihrer Meinung nach gab es keinen. Und wenn es sich tatsächlich so verhielt, wie der Constable gesagt hatte, wie sollten sie dann ihre eigene Farm bewirtschaften? Frieda fragte sich, ob auch sie im Sommer eingeborene Arbeitskräfte, diese Kanaken, brauchen würden. Es schien ein schrecklicher Fehler zu sein, hier eine Farm aufzubauen. Vielleicht sollten sie weiter in den Süden des Landes ziehen, wo es doch kühler sein musste. Sie hoffte inbrünstig, dass Jakob noch keinen bindenden Kauf- oder Pachtvertrag unterzeichnet hatte.
»Wo war Karl, als hier die Hölle los war?«, fragte Jakob, verwundert über Friedas Geschichte von den eingeborenen Arbeitern.
»Die Stadt erwachte gerade, als du aufgebrochen bist, und er hat einen Rundgang gemacht. Hat das ganze Durcheinander verpasst. Irgendwann kam er zurück und erzählte, dass er für heute Arbeit beim Schmied
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