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Im Land der tausend Sonnen

Titel: Im Land der tausend Sonnen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Shaw
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einem riesigen Vollmond seine Pfeife. Er war fünfundzwanzig, groß und langgliedrig, und nach außen hin ein ruhiger, zuversichtlicher Mann, doch das entsprach nicht unbedingt den Tatsachen. An diesem Abend fühlte er sich zum ersten Mal heimisch, frei von den lästigen Schmerzen in seinem Magen, die ihn quälten, seit er beschlossen hatte, nach Australien auszuwandern. Seit der Zeit, da die anderen, immer paarweise wie die Passagiere der Arche Noah, zu ihm gekommen waren und gefragt hatten, ob sie mitkommen könnten. Und sie waren mitgekommen, doch er machte sich Sorgen, fühlte sich verantwortlich. Er hatte versucht, die Last abzuschütteln. Hatte versucht, die Sorge zu verdrängen. Doch jedes Mal, wenn etwas schief ging, wie zum Beispiel die Verköstigung auf dem Schiff, die gelegentlichen beängstigenden Stürme, die Streitereien innerhalb der Gruppe, der Schock angesichts der Stadt Bundaberg, die nichts weiter als eine Siedlung war – in ihren Augen konnte sie nicht einmal als Dorf bezeichnet werden –, und angesichts des schauderhaften Landes, ihres gelobten Landes, das aus nichts außer verfilztem Urwald bestand, jedes Mal hatten seine Magenschmerzen sich verschlimmert, so sehr, dass er sich mit seiner üblichen Entschuldigung, seine Galle zu spüren, unter den Schmerzen krümmte.
            Deswegen vermuteten alle, dass Rolf Kleinschmidt einen empfindlichen Magen hatte. Auch Rosie. Die liebe Rosie. Sie gab sich alle Mühe, ihm leichte Kost vorzusetzen, die er zwar verabscheute, aber ihr zuliebe dennoch verzehrte. Er brachte es nicht über sich, seiner Frau zu gestehen, dass seine Magenschmerzen von den Sorgen kamen, die ihn belasteten.
            Was war er doch für ein Schwächling. Sein Vater würde sich schämen, wenn er wüsste, dass sein Ältester herumlief und sich Gedanken wegen seines nervösen Magens machte. Schon merkwürdig, dass sein Vater Förster gewesen war, bevor Graf von Pressler das Schlagen weiterer Bäume verboten hatte. Jetzt profitierte Rolf von seinen Erfahrungen. »Ich muss schon sagen«, er nickte in einem seltenen Anflug von Selbstzufriedenheit, »meinem Vater hab ich's zu verdanken, dass ich ein genauso guter Holzfäller bin wie die Leute hier.« Doch dann hatte der Graf auch jegliche Landwirtschaft auf seinem Grund und Boden untersagt, denn er hatte beschlossen, dass sein Land in den Naturzustand zurückgeführt werden sollte. »In den Zustand jungfräulicher Schönheit, so wie der Herr es schuf«, hatte er betont.
            Rolfs Vater hatte versucht, dem Verwalter des Grafen klar zu machen, dass die Aufgabe eines Försters nicht nur im Fällen von Bäumen bestand, sondern in der Pflege des Walds, doch er wollte nichts davon hören. Die Pächter wurden vertrieben. Selbst die kleine Bauerngemeinde, die im Schatten des großen Herrenhauses für den Bedarf der gräflichen Küche sorgte, wurde auf Grund einer Laune dieses idiotischen Träumers weggejagt.
            Auf Drängen seiner Frau hatte Rolfs Vater sich nach Obrigheim zurückgezogen, in ihren Geburtsort, und viele ihrer Verwandten folgten seinem Beispiel, doch diese plötzliche Zuwanderung belastete den Ort schwer, und fünfzehn Jahre später kam es zu einem neuerlichen Exodus: zur Auswanderung nach Australien.
            Viele Leute hatten sie vor diesem kühnen Schritt gewarnt, und Menschen, die Bescheid wussten, hatten zur Vorsicht gemahnt angesichts dessen, was sie am Fuß ihres eingebildeten Regenbogens finden würden … Furcht erregende Wilde, die in dunklen Urwäldern lauerten, wilde Tiere, die sie im Schlaf zerreißen würden … sofern ihr Schiff sein Ziel überhaupt erreichte.
            Rolf lächelte. Wer hätte gedacht, dass der dunkle Urwald, dem sie sich dann auf ihrem gemeinsamen Land tatsächlich gegenübersahen, keineswegs ein Ort der Angst war, sondern lediglich ein großes Ärgernis? Und zwar ein Ärgernis, das sie auf den Weg in dieses neue Leben, in ihr eigenes kleines Dorf getrieben hatte.
            Rosie rief ihm zu: »Ein Reiter kommt die Straße entlang, Rolf. Schau nach, wer das ist. Was mag man um diese späte Stunde noch von uns wollen?«
            Rolf griff nach der Laterne und ging dem Reiter entgegen. Es war einer von Les Jollys Männern, der eine Nachricht brachte.
            »Les sagt, du und deine Brüder sollen morgen jenseits des Flusses anfangen, ein paar Stücke Land abzuholzen. Er sagt, da gibt es gute Esche, Tanne und Zeder. Ein

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