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Im Land der weissen Rose

Im Land der weissen Rose

Titel: Im Land der weissen Rose Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Lark
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zur
Kombüse? Dorothy und Elizabeth? Sehr schön. Laurie und Mary
sorgen für Wasser zum Waschen ... oh doch, meine Damen, wir
waschen uns! Eine Lady hält auch auf Reisen auf Ordnung und
Sauberkeit!«
    Als Gwyneira eine Stunde später über das Zwischendeck
lief, um nach ihren Pferden zu sehen, bot sich ihr ein seltsames
Bild. Der Außenbereich vor den Kabinen war fast menschenleer,
die meisten Passagiere waren wohl noch mit dem Frühstück
oder ihrem Trennungsschmerz beschäftigt. Doch Helen und die
Mädchen hatten ihren Tisch und ihren Stuhl herausgeschleppt. Auf
Letzterem thronte Helen, stolz und aufrecht, jeder Zoll eine Lady.
Vor ihr auf dem Tisch befand sich ein improvisiertes Gedeck,
bestehend aus einem Blechteller, einem verbogenen Löffel, einer
Gabel und einem stumpfen Messer. Dorothy war dabei, Helen von
imaginären Servierplatten die Speisen aufzutragen, während
Elizabeth mit einer alten Flasche hantierte, als wäre edler Wein
darin, den sie stilvoll kredenzte.
    Â»Was tut ihr denn da?«, fragte Gwyneira verblüfft.
    Dorothy knickste beflissen. »Wir üben,wie man sich bei
Tisch aufführt, Miss Gwyn... Gwyn ...«
    Â»Gwyneira. Aber ihr könnt gerne Gwyn sagen. Und jetzt
sagt mir noch mal – ihr übt was?« Gwyneira schaute
Helen argwöhnisch an. Gestern hatte die junge Gouvernante ganz
normal auf sie gewirkt, aber womöglich war sie doch nicht recht
bei Trost.
    Helen errötete leicht unter Gwyneiras Blick, fasste sich aber
schnell.
    Â»Ich musste heute Morgen feststellen,dass die Tischmanieren
der Mädchen sehr zu wünschen übrig lassen«,
sagte sie. »Im Waisenhaus muss es zugegangen sein wie im
Raubtierkäfig. Die Kinder essen mit den Fingern und stopfen sich
die Backen voll, als wäre es ihre letzte Mahlzeit auf Erden!«
    Beschämt schauten Dorothy und Elizabeth zu Boden. Daphne
beeindruckte der Tadel weniger.
    Â»Wahrscheinlich hätten sie sonst nichts abbekommen«,
meinte Gwyneira. »Wenn ich sehe, wie mager die Mädchen
sind ...Aber was soll das werden?« Noch einmal wies sie auf den
Tisch. Helen korrigierte die Lage des Messers ein wenig.
    Â»Ich zeige den Mädchen, wie man sich bei Tisch wie eine
Dame verhält, und vermittle ihnen nebenbei die wichtigsten
Fertigkeiten einer geschickten Bedienung«, bemerkte sie dabei.
»Ich halte es für unwahrscheinlich, dass sie in größeren
Haushalten aufgenommen werden, wo sie die Möglichkeit hätten,
sich als Zofe, Köchin oder Stubenmädchen zu spezialisieren.
Die Personallage in Neuseeland soll extrem schlecht sein.Also werde
ich den Kindern eine möglichst umfassende Ausbildung mit auf den
Weg geben, damit sie ihrer Herrschaft in möglichst vieler
Hinsicht nützlich sein können.«
    Helen nickte Elizabeth freundlich zu, die eben formvollendet
Wasser in ihren Kaffeebecher geschüttet hatte. Eventuelle
Tropfen fing sie mit einer Serviette auf.
    Gwyneira blieb skeptisch. »Nützlich?«, fragte
sie. »Diese Kinder? Ich wollte gestern schon fragen, warum man
sie nach Ãœbersee schickt, aber jetzt wird mir einiges klar...
Vermute ich richtig, dass man sie im Waisenhaus gern loswerden
möchte, aber niemand in London kleine, halb verhungerte
Dienstmädchen will?«
    Helen nickte. »Die rechnen mit jedem Penny. Ein Kind ein
Jahr lang im Waisenhaus unterzubringen, es zu ernähren, zu
kleiden und zur Schule zu schicken, kostet drei Pfund. Die Ãœberfahrt
kostet vier, aber dafür sind sie die Kinder dann ein für
alle Mal los. Sonst müssten sie zumindest Rosemary und die
Zwillinge noch mindestens zwei Jahre behalten.«
    Â»Aber der halbe Fahrpreis gilt doch nur für Kinder bis
zwölf«, wandte Gwyneira ein, was Helen wunderte. Hatte
dieses reiche Mädchen sich tatsächlich nach den Preisen im
Zwischendeck erkundigt? »Und eine Stelle können die
Mädchen frühestens mit dreizehn antreten.«
    Helen verdrehte die Augen. »In der Praxis auch schon mit
zwölf, wobei ich schwören würde, dass zumindest
Rosemary kaum das achte Jahr überschritten hat.Aber Sie haben
Recht: Dorothy und Daphne hätten eigentlich schon den vollen
Preis zahlen müssen. Doch die ehrenwerten Ladys vom
Waisenhauskomitee haben sie für die Reise wahrscheinlich ein
bisschen jünger gemacht...«
    Â»Und kaum dass wir ankommen, werden die Kleinen dann wie
durch ein Wunder altern, damit man sie als

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