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Im Land Der Weissen Wolke

Im Land Der Weissen Wolke

Titel: Im Land Der Weissen Wolke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Lark
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durch nach hinten, Mrs. Warden. Ich komme gleich nach, sobald Richard wieder da ist.«
    »Hinten«, bezeichnete die Wohnräume der Candlers, die direkt an das geräumige Ladenlokal angrenzten. Doch sie wirkten keineswegs provisorisch, sondern waren geschmackvoll mit kostbaren Möbeln aus einheimischen Hölzern eingerichtet. Große Fenster ließen Licht ein und gewährten den Blick über das Holzlager hinter dem Haus, wo James eben seine Bestellung in Empfang nahm. Mr. Candler half ihm beim Aufladen.
    Und im Salon war dann wirklich Helen! Sie saß auf einer mit grünem Samt bezogenen Chaiselongue und plauderte mit Dorothy. Als sie Gwyn gewahrte, sprang sie auf. Ihr Gesicht spiegelte eine Mischung aus Unglauben und Freude.
    »Gwyn! Oder bist du ein Geist? Ich treffe heute mehr Menschen als in den zwölf Wochen zuvor. So langsam glaube ich, dass ich Gespenster sehe!«
    »Wir könnten uns ja gegenseitig kneifen!«, sagte Gwyn lachend.
    Die Freundinnen fielen einander in die Arme.
    »Seit wann bist du hier?«, erkundigte sich Gwyn, nachdem sie sich von Helen gelöst hatte. »Ich wäre viel eher gekommen, wenn ich gewusst hätte, dass ich dich hier treffe.«
    »Ich habe vor knapp drei Monaten geheiratet«, sagte Helen steif. »Aber in Haldon bin ich heute zum ersten Mal. Wir wohnen ... ziemlich weit auswärts ...«
    Das klang nicht gerade begeistert. Aber jetzt musste erst einmal Dorothy begrüßt werden. Das Mädchen kam eben mit einer Teekanne herein und legte gleich ein weiteres Gedeck für Gwyneira auf. Derweil hatte Gwyn Gelegenheit, ihre Freundin näher zu betrachten. Helen machte tatsächlich keinen glücklichen Eindruck. Sie war dünner geworden, und ihr auf dem Schiff so sorgsam gehüteter heller Teint war der verpönten Sonnenbräune gewichen. Auch ihre Hände waren rauer, und die Fingernägel waren kürzer als früher. Sogar ihre Kleidung hatte gelitten. Zwar war das Kleid sorgfältig gereinigt und gestärkt, aber der Saum war schlammig.
    »Unser Bach«, sagte Helen entschuldigend, als sie Gwyneiras Blicke bemerkte. »Howard wollte wieder mit dem schweren Wagen los, weil er noch Zaunmaterial mitnehmen muss. Den Wagen kriegen die Pferde aber nur durch den Bach, wenn wir schieben.«
    »Warum baut ihr keine Brücke?«, erkundigte sich Gwyneira. Sie hatte auf Kiward Station schon häufig neue Brücken überquert.
    Helen zuckte die Schultern. »Wahrscheinlich hat Howard kein Geld. Und keine Leute. Man kann doch wohl allein keine Brücke bauen.« Sie griff nach ihrer Teetasse. Ihre Hände zitterten leicht.
    »Ihr habt gar keine Leute?«, fragte Gwyneira fassungslos. »Nicht mal Maoris? Wie macht ihr es dann mit der Farm? Wer macht den Garten, melkt die Kühe?«
    Helen schaute sie an. In ihren schönen grauen Augen stand eine Mischung aus Stolz und Verzweiflung.
    »Na, wer wohl?«
    »Du?« Gwyn war alarmiert. »Das kann doch nicht dein Ernst sein. War nicht von einem GentlemanFarmer die Rede?«
    »Streich den Gentleman ... womit ich nicht sagen will, dass Howard kein Ehrenmann ist. Er behandelt mich gut und arbeitet hart. Aber er ist ein Farmer, nicht mehr und nicht weniger. So gesehen hatte dein Mr. Gerald schon Recht. Howard hasst ihn übrigens genauso wie umgekehrt. Zwischen den beiden muss mal irgendwas passiert sein ...« Helen hätte gern das Thema gewechselt; es behagte ihr nicht, sich abfällig über ihren Mann zu äußern. Andererseits ... wenn sie nicht wenigstens Andeutungen machte, würde sie keine Hilfe finden!
    Doch Gwyn ging nicht darauf ein. Die Fehde zwischen O’Keefe und Warden war ihr vorerst egal. Ihr ging es um Helen.
    »Hast du denn wenigstens Nachbarn, die dir mal helfen oder die du um Rat fragen kannst? Du kannst das doch alles gar nicht!«, kam Gwyn auf die Farmarbeit zurück.
    »Ich bin ja lernfähig«, murmelte Helen. »Und Nachbarn ... na ja, ein paar Maoris. Die Kinder kommen jeden Tag zur Schule, sie sind sehr liebenswert. Aber ... aber sonst seid ihr die ersten Weißen, die ich ... seit der Ankunft auf der Farm zu Gesicht bekomme ...« Helen versuchte, sich zusammenzureißen, kämpfte aber mit den Tränen.
    Dorothy schmiegte sich tröstend an Helen. Gwyneira dagegen schmiedete bereits Pläne, der Freundin zu helfen.
    »Wie weit ist denn die Farm von hier? Kann ich dich nicht mal besuchen kommen?«
    »Fünf Meilen«, gab Helen Auskunft. »Aber ich weiß natürlich nicht, in welche Richtung ...«
    »Das sollten Sie aber lernen, Mrs. O’Keefe. Wenn Sie die Himmelsrichtungen nicht

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