Im Land Der Weissen Wolke
McKenzies Hündin, ja. Kam vor zwei Tagen in Lyttelton an, völlig erschöpft. Sie sehen ja, wie sie aussieht. McKenzie hat sie vom Fenster aus gesehen und einen Aufstand entfesselt. Aber was sollte ich machen, ich kann sie ja nicht ins Gefängnis lassen! Wo kämen wir da hin? Wenn der eine ’nen Hund halten darf, will der Nächste ’ne Miezekatze, und wenn die Katze den Kanarienvogel von ’nem dritten Kerl frisst, kommt’s zum Gefängnisaufstand.«
»Na, so schlimm wird’s schon nicht sein.« Gwyn lächelte. Zumeist verbrachten die Häftlinge in Lyttelton gar nicht genug Zeit in Haft, um sich ein Haustier zuzulegen. Meist kamen sie zum Ausnüchtern und waren nach einem Tag wieder draußen.
»Jedenfalls geht so was nicht!«, sagte der Sheriff streng. »Ich hab das Tier dann mit nach Hause genommen, aber es wollte nicht bleiben. Kaum ging die Tür auf, rannte es wieder zum Gefängnis. In der zweiten Nacht ist McKenzie dann ausgebrochen. Diesmal hat er wirklich ein Schloss geknackt und beim Metzger prompt Fleisch für den Köter gestohlen. War zum Glück nicht schlimm. Der Metzger hat hinterher behauptet, es sei ein Geschenk gewesen, also gibt’s kein weiteres Verfahren ... und McKenzie hatten wir am nächsten Tag auch gleich wieder. Aber so geht das natürlich nicht weiter. Der Mann bringt sich für den Köter um Kopf und Kragen. Na ja, da hab ich halt gedacht ... weil Sie den Hund gezüchtet haben und Ihr alter Hund doch gerade gestorben ist ...«
Gwyneira schluckte. Auch jetzt noch konnte sie nicht an Cleo denken, ohne dass ihre Augen feucht wurden. Sie hatte auch noch keinen neuen Hund ausgewählt. Die Wunde war zu frisch. Aber hier war Friday. Und sie glich ihrer Mutter aufs Haar.
»Da haben Sie richtig gedacht!«, sagte sie ruhig. »Friday kann hier bleiben. Sagen Sie Mr. McKenzie, dass ich auf sie aufpasse. Solange, bis er uns ... äh, sie abholt. Aber nun kommen Sie herein und nehmen Sie eine Erfrischung, Officer. Sie müssen nach dem langen Ritt sehr durstig sein.«
Friday lag hechelnd im Schatten. Noch immer war sie an der Leine, und Gwyn wusste, dass sie ein Risiko einging, als sie sich jetzt zu ihr herunterbeugte und den Strick löste.
»Komm mit, Friday!«, sagte sie sanft.
Die Hündin folgte ihr.
11
Ein Jahr nach James McKenzies Verurteilung kehrten George und Elizabeth Greenwood aus England zurück, und Helen und Gwyneira erhielten endlich Nachricht von ihren Kindern. Elizabeth nahm Fleurs Bitte um Diskretion sehr ernst und fuhr selbst mit ihrer kleinen Chaise nach Haldon, um die Briefe zu überbringen. Nicht einmal ihren Mann hatte sie eingeweiht, als sie sich mit Helen und Gwyn auf der Farm der O’Keefes traf. Beide bestürmten sie natürlich mit Fragen nach der Reise, die der jungen Frau offensichtlich gut getan hatte. Elizabeth wirkte entspannter und in sich ruhend.
»London war wunderbar!«, sagte sie mit verklärtem Blick. »Georges Mutter, Mrs. Greenwood, ist ein bisschen ... nun ja, gewöhnungsbedürftig. Aber erkannt hat sie mich nicht, sie fand mich sehr wohlerzogen!« Elizabeth strahlte wie das kleine Mädchen von damals und sah Helen Beifall heischend an. »Und Mr. Greenwood ist reizend und sehr nett zu den Kindern. Georges Bruder mochte ich allerdings nicht. Und dann die Frau, die er geheiratet hat! Sie ist richtig ordinär!« Elizabeth rümpfte selbstgefällig ihr Näschen und legte sorgfältig ihre Serviette zusammen. Gwyneira bemerkte, dass sie es immer noch mit haargenau den gleichen Gesten tat, die Helen den Mädchen damals eingebimst hatte. »Aber nun, da ich die Briefe fand, tut es mir Leid, dass wir die Reise so lange ausgedehnt haben«, entschuldigte sich Elizabeth. »Sie müssen sich die größten Sorgen gemacht haben, Miss Helen – und Miss Gwyn. Aber wie es aussieht, sind Fleur und Ruben wohlauf.«
Helen und Gwyneira waren tatsächlich erleichtert, und nicht nur wegen der Nachrichten von Fleur, sondern auch über deren ausführliche Erzählungen von Daphne und den Zwillingen.
»Daphne muss die kleinen Mädchen irgendwo in Lyttelton aufgetrieben haben«, las Gwyn aus einem der Briefe Fleurs vor. »Anscheinend lebten sie auf der Straße und hielten sich durch Diebereien über Wasser. Daphne hat sich der Mädchen angenommen und sich rührend um sie gekümmert. Miss Helen kann stolz auf sie sein, obwohl sie natürlich ... das Wort muss man eigentlich buchstabieren ... eine H-u-r-e ist.« Gwyneira lachte. »Also hast du deine Schäfchen alle wiedergefunden, Helen.
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