Im Land des Eukalyptusbaums Roman
euch etwas trinken?«
Bertha ignorierte das Angebot. »Auf Reinhart sinddoch gar keine Frauen beschäftigt, Miss Grayson. Deshalb hat Langford wohl auch einen männlichen Lehrer verlangt. Ich nehme an, Sie haben eine Anstandsdame mitgebracht. Eine Reisegefährtin vielleicht?«
»Ein Reisegefährte war nicht nötig, Mrs. Ellery. Auf dem Dampfer waren Hunderte Mitreisende. Übrigens hatte ich schon immer meinen eigenen Kopf. Zugegeben, ich tue meistens, wonach mir der Sinn steht, ohne mich um die Meinung der Männer zu kümmern. Diesem Grundsatz bin ich auch gefolgt, als die Stellung auf Reinhart angeboten wurde. Ob Frauen auf der Farm leben, hat mich kein bißchen interessiert. Alles, was zählte, waren doch die Kinder! Und falls es Sie interessiert, ich bin längst nicht mehr die einzige Frau auf Reinhart.«
Bertha verzog überrascht das Gesicht.
»Sie haben zwei Aborigines-Frauen dort einquartiert«, erklärte Esther.
»Aborigines? Um Himmels willen, aber die können doch nicht als Anstandsdamen gelten! Sie haben weder Sitte noch Moral, so wie wir, ihnen fehlen alle christlichen Grundwerte ...«
Langsam wurde Nola wütend. Sie hatte nicht damit gerechnet, daß Bertha Ellery derart engstirnige Vorurteile hegte. Hoffentlich waren die anderen nicht derselben Meinung. »Mag sein, daß sie einen anderen Glauben haben als wir – aber sie haben sehr strenge Sitten und Gebräuche! Und ich glaube nicht, daß ich eine Anstandsdamen brauche. Die Zeiten ändern sich, und wir uns mit ihnen. An der scheinheiligen Moral der Männer brauchen wir uns jedenfalls nicht messen zu lassen.«
Esther, Gladys, Mora und Eartha verfolgten wortlos,was sich zwischen Nola und Bertha abspielte. Es war das erste Mal, daß irgend jemand, weiblich oder männlich, Berthas Ansichten in Frage stellte. Ihr Vater war einer der ersten gewesen, die im Gulf Country mit der Viehzucht begonnen hatten. Er war ein harter Mann gewesen, und Bertha stand ihm in nichts nach. Jeder, der sie kannte, begegnete ihr mit Respekt. Selbst ihr Ehemann zitterte vor ihr, und um des lieben Friedens willen widersprach er ihr nie.
»Ein kleiner Rat, Miss Grayson. Manche Dinge werden sich niemals ändern. Auch wenn Sie anscheinend lieber Hosen tragen, wird die Männer nichts davon abhalten, über Sie zu reden. So ist das nun mal auf dem Land. In einem kleinen Dorf wie hier ist sonst nicht viel los. Da interessiert man sich um so mehr für das Privatleben anderer Leute.«
»Ich hätte nicht gedacht, daß leben in einem kleinen Dorf auch bedeutet, die Leute dort hätten auch nur einen kleinen Verstand, Mrs. Ellery. Aber ich nehme an, Sie wissen am besten, wovon Sie reden.«
Das war ein subtiler, aber unverkennbarer Angriff, und den anderen Frauen blieb vor Staunen die Luft weg.
»Gleichviel«, schloß Nola, »machen Sie sich bitte keine Sorgen um meinen guten Ruf. Für meine radikalen Ansichten bin ich seit jeher bekannt und gebe nicht viel auf das, was man über mich redet.« Nola erhob sich. »Leider muß ich Sie jetzt verlassen, meine Damen. Wir hatten einige kleinere Probleme auf der Farm, weshalb ich nicht allzu lange wegbleiben will. Es hat mich sehr gefreut, Sie kennenzulernen, Eartha und Mora. Ich hoffe, daß wir uns bald einmal wiedersehen!«
»Das hoffe ich auch, Nola«, erwiderte Earthafreundlich, während Mola zustimmend nickte. Eartha nahm Nolas Hände und drückte sie warmherzig. »Hier draußen im Busch könnten wir noch mehr Frauen wie sie brauchen. Ich wünsche Ihnen viel Glück. Wenn ich Ihnen irgendwie behilflich sein kann, lassen Sie es mich wissen!«
»Vielen Dank«, freute sich Nola. Dann wandte sie sich Bertah zu.
»Auf Wiedersehen, Mrs. Ellery.«
Bertha nickte, die Lippen zu einem dünnen Strich gepreßt.
»Ich bringe dich noch nach draußen«, meinte Esther. »Danach muß ich mich um die Kneipe kümmern. Über kurz oder lang werden die Kunden über mich herfallen ...«
»Ich werde mich auch auf den Weg machen«, erklärte Gladys, die schon aufgestanden war. »Ben Cranston hat Orval im Laden ausgeholfen, während ich weg war, aber bei den vielen Familien, die jetzt Lebensmittel kaufen, wird er alle Hände voll zu tun haben. Und Bestellungen müssen wir auch ausliefern. Immer vergißt er, was wir noch auf Lager haben!«
»Mach dir nichts aus dem, was Bertha sagt«, erklärte Esther, als Nola ihr Pferd bestieg.
»Stimmt es denn, Esther? Reden die Männer über mich, seit ich auf Reinhart arbeite?«
»Ich will dich nicht anlügen, Nola.
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