Im Land des Eukalyptusbaums Roman
seitlich um das Hotelgebäude kam. Sie rauschte förmlich über das Grundstück heran und unterbrach durch ihr Erscheinen das Gespräch. Selbstverständlich kannte sie alle Anwesenden, mit Ausnahme von Nola. Sie mußte etwa fünfzig sein, ein wenig matronenhaft von Statur, mit dunklem Haar und sonnenverbrannten Zügen. Zweifellos war sie einmal sehr attraktiv gewesen, aber die Jahre und die rauhe Umgebung hatten ihr ziemlich zugesetzt. Nola vermutete, daß die meisten Frauen im Busch dieses leicht verwitterte Äußere bekamen und schwor sich, nur noch mit einem breitrandigen Hut in die Sonne zu gehen.
Esther stellte sie einander vor. Als die beiden Frauen sich gegenseitig musterten, merkten sie, daß sie sich bereits flüchtig kannten.
»Sie waren die Frau, die bei der Dürreversammlung das Wort ergriffen hatte«, stellte Mrs. Ellery verächtlich fest.
»Ganz recht. Meine Ansicht fand wenig Zustimmung.«
»Ihr Vorschlag war ja auch ziemlich radikal ...«
Wie oft schon hatte Nola das hören müssen!
»... und die Landeigentümer hier haben nun einmal ihre eigenen Regeln«, fuhr Mrs. Ellery fort.
»Man hatte mich vorgewarnt, daß sie von Außenseitern keinen Rat hören wollen. Schon gar nicht von Frauen.«
»Sehen Sie das Ganze doch mal aus ihrem Blickwinkel. Nach den Maßstäben des Outback sind Sie gerade mal fünf Minuten hier. Verglichen mit den Familien, unserer beispielsweise, die seit sechs Generationen im Gulf Country wohnt. Gegenwärtig sind wir mit vier Generationen auf der Miller’s-Hill-Farm. Mein Vater John Miller, ich selbst und mein Ehemann. Meine Söhne James und William, und ihre Söhne David und John junior, und ihre Tochter Isabelle. Das ergibt einen Vorsprung von Jahrhunderten.«
Nola fühlte, daß sie gerade in ihre Schranken verwiesen wurde.
»Wir haben schon viele Dürrezeiten mitgemacht und ebensoviele Überschwemmungen. Ich will nicht behaupten, daß es leichter würde dadurch, oder neue Ideen nicht willkommen sind. Ich will bloß, daß Sie begreifen, weshalb man Sie nicht mit offenen Armen empfängt.«
»Ich denke, daß habe ich längst, aber ich habe bloß helfen wollen.«
»Ihren guten Willen in allen Ehren, aber zu glauben, daß Sie alle unsere Probleme mit einem Schlag lösen könnten, war ziemlich anmaßend.«
»Das hatte ich gar nicht vorgehabt. Ich war vorher schon überzeugt, daß niemand bereit sein würde, Wade Dalton eine Chance zu geben. Wasser zu finden, während das Vieh verdurstet, hielt ich für vordringlich, und nicht für die Antwort auf alle Fragen. Glücklicherweise hat sich mein Vorschlag für die Reinhart-Farm ausgezahlt. Wade ist auf Grundwasser gestoßen und hat unsere Herde gerettet.«
»Wie man hört, ja. Und dafür, daß Sie ihn ausnüchtern und zur Arbeit bewegen konnten, haben Sie meine volle Anerkennung. Freut mich für Langford und Galen. Doch ein Brunnen allein ist nur eine vorübergehende Lösung. Das Vieh braucht Futter. Ohne Regen wird nichts nachwachsen. Was uns wieder zum Thema der heutigen Versammlung zurückbringt. Sollen wir nicht lieber zur Tagesordnung übergehen?«
Die ›Versammlung‹ war, wie es schien, nicht einberufen worden, um zu diskutieren und Entscheidungen zu treffen. Bertha hatte längst entschieden, was wohin geschickt werden sollte, und wie man die Versorgung bedürftiger Farmer und ihrer Familien am besten sicherstellte. Sie informierte alle, die gekommen waren, wer was zu tun hatte und von wem. Die anderen stimmten zu, entweder zufrieden mit dem Arrangement oder zu ängstlich, ihr zu wiedersprechen.
»Ich habe noch eine Idee«, schlug Nola vor, als Bertha fertig zu sein schien.
Alle wandten sich zu ihr um. Bertha machte ein konsterniertes Gesicht.
»Dann schieß los, Kleines«, schlug Esther aufmunternd vor. »Laß hören!«
»Wir könnten den Weihnachts-Tanzabend nutzen, um Spenden zu sammeln. Laßt uns einen Tanzwettbewerb ausschreiben und die Mitwirkenden um eine kleine Teilnahmegebühr bitten. Die Gewinner bekommen einen Preis, den irgendwer stiftet. Und da ich vermute, daß die meisten eine weite Anreise haben, werden sie wohl über Nacht bleiben. Anderntags könnten wir ein Picknick veranstalten, vielleicht mit einem Wettrennen, dessen Einsätze ebenfalls dem Fond zugunsten derHilfsbedürftigen zugute kommen. Und ich hätte noch eine Menge weiterer Vorschläge, meine Damen, wenn sie das Projekt befürworten.«
Minutenlang sprach niemand ein Wort. Nola sah eine nach der anderen an und fragte sich erneut, ob
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